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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Gustelies auf, um ihrem Schwiegersohn einen Becher zu füllen.
    «Erzähl!», forderte sie ihn auf, als er ausgetrunken hatte.
    «Ich schickte einen Boten mit einer Vorladung, dazu zwei Schreiber, die das Haus durchsuchen sollten. Das Mädchen machte erst Anstalten, wegzulaufen, doch dann fügte sie sich dem Stadtknecht. Ich ließ sie im Amt warten, um sie mürbe zu machen. Nach einer Stunde erst holte ich sie in meine Stube. Sie gab an, die Toten allesamt zu kennen, nur von der Wanderhure wollte sie nichts wissen. Ich betrachtete sie genauer, sagte ihr dann auf den Kopf zu: ‹Leugne nicht länger, es hat keinen Sinn. Die Wanderhure war deine Mutter. Die Ähnlichkeit ist unverkennbar.› Da wurde das Mädchen blass, schlug die Hände vor das Gesicht und schüttelte den Kopf. Nein, ihre Mutter sei das nicht. Sie wüsste nicht, wer ihre Eltern seien, schon immer habe sie bei der Hebamme gelebt. Ich fragte sie, ob sie die drei Männer und die Wanderhure getötet habe. Da sah sie auf, verneinte und erwiderte: ‹Gott wird ihnen die gerechte Strafe erteilen. Ich bin nur ein Mensch, ein Werkzeug Gottes.› Da ließ ich sie gehen.»
    «Du hast was? Du hast sie gehen lassen?»
    Der Richter nickte. «Ich musste. Das Gesetz sieht es so vor. Erst wenn sich ein Zeuge der Morde findet oder aber jemand bestätigt, dass die Wanderhure tatsächlich die Mutter des Mädchens war und sie somit alle vier Opfer kannte, habe ich Grund, sie ins Verlies zu stecken. Heute aber musste ich sie gehen lassen. Nach dem Hurenmeister habe ich geschickt, und der hat mir mitgeteilt, dass er erst seit einem Jahr dieses Amt versieht. Seine Vorgängerin, eine Hurenwirtin, ist nach Mainz gegangen. Sie habe ich nun vorladen lassen. Wenn wir Glück haben, trifft sie schon morgen in Frankfurt ein und gibt mir die Handhabe, das Mädchen zu verhaften.»
    «Hast du ihr Haus durchsuchen lassen?», fragte Gustelies.
    Richter Blettner warf sich in die Brust. «Selbstverständlich!»
    «Und? Was ist dabei herausgekommen?», wollte Hella wissen.
    «Im Keller fanden meine Leute ein Laboratorium und einige Fläschchen, die nun einem Apotheker zur Begutachtung vorliegen. Nach einer ersten kurzen Überprüfung meinte der Apotheker, dass Schlafmohnsaft und Bilsenkrauttinktur bei einer Hebamme nichts Ungewöhnliches seien, sondern Dinge, die sie bei der Ausübung ihres Berufes braucht. Ihr seht, ich habe wirklich im Augenblick nicht die geringste Handhabe gegen das Kräutermädchen.»
    Hella sah auf die Tischplatte und fuhr mit dem Zeigefinger die Maserung nach. «Meinst du, es könnte auch jemand anders gewesen sein?», fragte sie leise.
    Der Richter wiegte den Kopf hin und her. «Zumindest haben wir niemanden, der so verdächtig scheint wie das Mädchen.»
    Gustelies stand auf, um den Braten aus der Vorratskammer zu holen. Dabei sagte sie: «Also, wenn ich das Mädchen und die Täterin wäre, würde ich mich umgehend aufmachen und von hier fliehen. Schon ein paar Meilen hinter Sachsenhausen ist die Frankfurter Gerichtsbarkeit nicht mehr zuständig. Und ehe der Landesherr das Mädchen fassen kann, um sie auszuliefern, wird sie schon längst über alle Berge sein.»
    «Gott ist überall, und er straft jede Sünde. Vor Gott kann man sich nicht verstecken», wusste Pater Nau und nutzte Heinz’ Unaufmerksamkeit, um seinen leeren Rotweinbecher gegen den halbvollen des Richters zu tauschen.
    «Ich lasse natürlich ihr Haus bewachen», teilte der Richter mit. «Sobald sie versucht zu entkommen, kann ich sie in Haft nehmen. Ein Stadtknecht steht vor ihrer Tür. Er wird so lange dort ausharren, bis die Hurenwirtin aus Mainz ihre Aussage gemacht hat und der Apotheker bestätigt, dass die Mittel nicht frisch hergestellt, sondern gut Bestandteil der Hebammenarbeit gewesen sein könnten.»
    «Jetzt ist genug von Mord und Totschlag die Rede gewesen», bestimmte Gustelies und stellte vier Schüsseln auf den Tisch, dazu einen Korb mit frischgebackenem Roggenbrot. «Lasst uns essen. Ich glaube, wir brauchen heute alle eine Stärkung.»

Kapitel 27
    Das Mädchen sah aus dem Fenster und hin zu dem Mann, der auf seinem Wams das Wappen der Stadt Frankfurt trug und eine Arkebuse umgehängt hatte.
    Es war schon dunkel, und der Wind hatte aufgefrischt, wehte aprilkühl durch die staubigen Gassen. Wolkenberge hatten sich am Himmel aufgetürmt und bedeckten den blassen Mond. Das Mädchen sah, dass der Mann fröstelte und sich tief in sein Wams verkroch.
    Sie lächelte, ging in die Küche und

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