Galgenweg
Sie, Benedict. Sehen Sie es doch so, dass das NBCI einfach versuchen wird, uns zu helfen. Machen Sie sich diese Hilfe zunutze.« Er ging weiter. »Wer weiß, vielleicht finden die einen Beweis, den wir nicht gefunden haben. Nicht wahr?« Er kniff die Augen wegen der Sonne so sehr zusammen, dass sie beinahe geschlossen waren, und ich konnte nicht sicher sagen, ob er mir gerade zugezwinkert hatte.
Die Hitze des Tages war auch mit dem Abend nicht verschwunden, im Gegenteil, der nunmehr dunklere Himmel schien die Hitze regelrecht festzuhalten und ein Gewitter noch vor dem Morgengrauen zu versprechen.
Ich kurbelte das Fenster herunter, sowohl aus Rücksicht auf Debs, damit der Wagen hinterher nicht nach Rauch stank, aber auch weil es im Auto so stickig war, dass ich schwitzte. Doch das offene Fenster brachte in keinerlei Hinsicht eine Verbesserung.
Auf der Schnellstraße nach Letterkenny fragte ich mich erneut, ob das, was ich vorhatte, wirklich klug war. Die Lichter der Stadt flackerten in mittlerer Entfernung, der weiter entfernte Kirchturm stach in die rot geränderten Wolken am Horizont.
Neben mir auf dem Beifahrersitz lag, von einem Päckchen Zigaretten beschwert, damit es nicht aus dem Fenster flog, das religiöse Traktat, das Kerr damals bei mir im Auto zurückgelassen hatte; eines der zahlreichen Blättchen, die er in seiner Segeltuchtasche durch die Borderlands getragen hatte.
Decko O’Kane lebte außerhalb von Letterkenny an der Straße nach Lifford, etwa eine Meile von seinem Gebrauchtwagenhandel entfernt. So viel wusste ich. Darüber hinaus hatte ich noch keinen genauen Plan. Falls ich ungesehen bis zu seinem Haus kam, würde der Rest sich wohl von selbst ergeben, dachte ich. Aber wenn ich ehrlich bin, glaubte ich sowieso nicht, dass ich mein Vorhaben wirklich in die Tat umsetzen würde.
Ich hatte den Nachmittag damit verbracht, wieder und wieder Costellos Worte zu deuten. Hatte er gemeint, dass ein Beweis gefunden werden könnte ? Oder dass ein Beweis gefunden werden sollte ?
Um acht Uhr hatte ich Debs erzählt, ich würde auf direktem Weg zum Club Manhattan fahren und Rebecca Purdy begleiten. Beinahe hätte ich ihr gebeichtet, was ich in Wirklichkeit vorhatte; doch dann tat ich es nicht. Ich wusste, sie würde mir davon abraten, würde mir sagen, dass es falsch sei. Und das wollte ich nicht hören, denn ich hätte ihr zustimmen müssen.
Ich verglich mein Vorhaben auch mit der Aktion von Patterson. Er hatte um seiner persönlichen Beförderung willen Beweismaterial auf Webbs Grundstück deponiert. Was ich tun wollte, würde nicht meiner Beförderung, sondern der Verhaftung einer Person dienen, die verhaftet werden musste. Denn das war es, was die Gerechtigkeit verlangte, sagte ich mir. An diesem Punkt brach ich meinen inneren Monolog ab, ehe die Wirrungen der Gerechtigkeitsproblematik allzu undurchsichtig wurden.
Ich parkte etwa eine Viertelmeile von Deckos Haus entfernt und näherte mich ihm über die angrenzenden Felder. In weniger als zwei Minuten hatte ich die Grundstücksgrenze erreicht. Sein Besitz war von einer hohen Trockenmauer umgeben, die vermutlich so viel gekostet hatte, wie ich in einem Jahr verdiente. Ich erklomm die Mauer, was mir schwerer fiel, als ich gedacht hätte, und ließ mich zwischen den Bäumen, die die Auffahrt säumten, zu Boden gleiten.
Deckos Haus war riesig und stand inmitten eines mehr als eins Komma zwei Hektar großen Grundstücks. Es war hell erleuchtet wie ein Märchenschloss, und die Fenster standen weit offen, um die Nachtluft hineinzulassen. Selbst aus der Entfernung hörte ich, dass Decko Gäste hatte. Im Garten hinter dem Haus war offenbar eine Party im Gange, und das dumpfe Dröhnen, das wohl Musik sein sollte, ließ sogar den Boden rhythmisch vibrieren. Das monotone Gestampfe und die Rufe eines Rappers, der klang, als hätte man auf ihn geschossen, wurde übertönt von den schrillen Schreien der Frauen und dem betrunkenen Johlen der Männer.
Ich wäre zu gern ums Haus herumgegangen, um nachzusehen, wer Deckos Gäste waren. Noch lieber wollte ich jedoch das tun, was ich mir vorgenommen hatte, und wieder verschwinden, ehe Decko oder einer seiner Saufkumpanen mich entdeckten.
Ursprünglich hatte ich vorgehabt, Kerrs Traktat irgendwo auf Deckos Grundstück zu deponieren, zum Beweis, dass Kerr hier gewesen war – um etwas zu haben, das ihn mit Decko in Verbindung brachte. Ehrlich gesagt hatte ich das Ganze nicht allzu gründlich durchdacht. Ich ließ den
Weitere Kostenlose Bücher