Galgenweg
kahlen Typen«, sagte ich. »Muss groß sein und eine Tätowierung haben.«
Wir teilten uns auf und bewegten uns durch die Menge. Die Hitze und die Masse aus Körpern, die gegen mich drängten, ließen mir den Schweiß auf die Stirn treten, und mir wurde übel – und das unablässige Stampfen der Musik sowie das Zucken der Lichter taten ein Übriges. Ich spürte, wie mein Atem sich beschleunigte, und schnappte krampfhaft nach Luft. Ganz kurz fühlte ich mich fremd, vom übrigen Raum abgetrennt, als spähte ich durch eine Glasscheibe auf die sich vor mir wiegenden und hüpfenden Menschen. Ich kam aus dem Gleichgewicht, fühlte mich benommen.
Lieber nicht stehen bleiben, sagte ich mir und drängte weiter durch die Menge. Im Vorübergehen musterte ich die Männer.
Ich entdeckte einen kahlköpfigen Mann, der am Rand der Tanzfläche tanzte. Doch er hatte nicht den richtigen Körperbau, die Arme waren knochig, die Muskulatur unterentwickelt, und seine Haut war frei von Tätowierungen. Ein zweiter Kandidat stand in der Nähe der Bar. Auch er hatte eine Glatze, doch er war zu dünn. Einer der Kollegen winkte mir quer über die Tanzfläche zu und deutete auf die entgegengesetzte Wand. Da sah ich ihn, er stand am Notausgang, wo die Leute sich zum Rauchen versammelten. Als ich gerade auf ihn aufmerksam geworden war, wandte er sich ab und ging an den Rauchern vorbei. Ich hatte sein Gesicht nicht gesehen, aber er musste mich wohl erkannt haben.
Ich drängte mich durch die Menge zum Notausgang, der auf eine Seitengasse und schließlich zum Parkplatz führte. Die Menge um mich herum schien immer dichter zu werden, die Leute rempelten und drängelten wie Vieh dorthin, wo Aussicht auf frische Luft bestand. Als ich mich an einem Paar vorbeidrängte, kreischte das Mädchen auf. Ihr Partner griff nach meinem Arm und brüllte etwas Unverständliches. Endlich gelangte ich durch die Tür hinaus.
»Wo ist er lang?«, rief ich den Rauchern zu, die an der Tür standen, doch die meisten waren zu betrunken oder bekifft, um etwas zu bemerken oder sich dafür zu interessieren. Ein Mädchen deutete die finstere Gasse entlang, in Richtung des Parkplatzes. Ich blickte zunächst in die entgegengesetzte Richtung, wo die Gasse offenbar auf die Hauptstraße mündete.
Dann rannte ich in die Richtung, in die das Mädchen gezeigt hatte, schwer atmend; die warme Nachtluft brannte in meiner Lunge. Ich musste wirklich aufhören zu rauchen. Schon nach wenigen hundert Metern blieb ich stehen und lehnte mich an die Giebelwand des Hauses zu meiner Rechten, um wieder zu Atem zu kommen. Keuchend beugte ich mich vornüber, und meine Lunge fühlte sich an, als würde sie gleich bersten. Es kam mir so vor, als sei die Gasse länger geworden oder habe sich sonst wie verändert. Ich blickte meine Hände an, und sie schienen jemand anderem zu gehören.
»Scheiße«, dachte ich. In meinem Magen rumorte es, und ich fürchtete, mich übergeben zu müssen. Ich stützte die Arme auf die Knie und versuchte, mich zu beruhigen; ich rang um Luft.
Ich hörte quietschende Reifen und ein Auto bog vom Parkplatz her in die Gasse ein, die Scheinwerfer blendeten mich. Bierkästen flogen zur Seite, das Auto schoss direkt auf mich zu. Ich konnte nirgends hin, konnte mich nirgendwo verstecken. Ich drückte mich an die Wand, der Wagen raste an mir vorbei und streifte mein Bein. Als er auf die Hauptstraße abbog, konnte ich Modell und Farbe sehen – ein silbernes BMW -Coupé. Im grellen Scheinwerferlicht hatte ich leider das Kennzeichen nicht erkennen können, auch vom Fahrer hatte ich nicht mehr gesehen als einen Arm und eine Hand, die sich um das Lenkrad krallte, sowie eine Baseballmütze, die sein Gesicht verdeckte.
Ein Barkeeper brachte mir eine Tasse Tee, während ich in Thompsons Büro saß und mir die Bänder der Überwachungskamera ansah, in der Hoffnung, meinen Angreifer zu erkennen. Das beste Bild war das, das auch Rebecca entdeckt hatte, als der Mann zur Toilette gegangen war. Es bestätigte mir, dass er der Mann war, den ich gerade gejagt hatte, doch es war nicht scharf genug, um ihn zu identifizieren.
Ich fühlte mich ziemlich miserabel wegen dieser ganzen Angelegenheit, bis ich daran erinnert wurde, dass wir immerhin einen Augenzeugen hatten. Einer der Kollegen kam herein und sagte: »Da ist ein Junge auf der Toilette, der gerne wissen möchte, ob er jetzt gehen darf.«
»Bringen Sie ihn her.«
Der »Junge« war, wie sich herausstellte, in Wirklichkeit Mitte
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