Galgenweg
Blick über die Vorderseite des Hauses wandern, um zu prüfen, ob ich beobachtet wurde. Da fiel mir Deckos Wagen auf, der an der mir am nächsten gelegenen Seite des Hauses parkte. Und jetzt kam mir eine noch bessere Idee. Ein Blatt Papier, das in der Einfahrt von jemandem aufgefunden wird, beweist gar nichts; dasselbe Beweisstück im Auto des Betreffenden war schon deutlich schwerer zu erklären. Allerdings würde das nur funktionieren, falls Deckos Wagen nicht abgeschlossen war. Und das war er. Doch auf der Beifahrerseite war das Fenster halb heruntergekurbelt, vermutlich wegen der Hitze.
Ich lief zum Wagen und hielt mich dabei im Schatten, in dem quälenden Bewusstsein, dass ich auf der Beifahrerseite des Autos vom Haus aus zu sehen sein würde. Durch den Spalt im Fenster steckte ich das Blättchen in das Fach der Beifahrertür, wobei ich immer wieder zusammenzuckte, weil ich Angst hatte, der Wagen könnte eine Alarmanlage besitzen. Aber wegen des offenen Fensters wäre sie wohl nicht betriebsbereit gewesen. Schließlich schlich ich zurück in den Schatten und machte mich auf den Rückweg zu meinem eigenen Auto.
So einfach war das. Eine einzige, harmlose Handlung, das Deponieren eines einzigen Blattes Papier im Auto einer anderen Person, mehr brauchte es nicht, um eine Verbindung zwischen Decko O’Kane und James Kerr herzustellen und uns so einen hinreichenden Verdacht zu beschaffen, aufgrund dessen wir eine DNA -Probe nehmen konnten, die wir mit den Hautspuren unter Kerrs Fingernägeln vergleichen würden.
Und ebendiese eine harmlose Handlung könnte auch meine Karriere – und noch einiges mehr – ruinieren, falls etwas schiefging.
Der Club Manhattan war zum Brechen voll, als ich dort ankam. Mir fielen mehrere Polizisten auf, die sich einen Weg durch die Menge bahnten, darunter auch Helen Gorman, in Zivil und der Lokalität entsprechend gekleidet. Sie trug eine Bob-Frisur, und ihr enges, gestreiftes T-Shirt betonte ihre Figur. Als sie mich entdeckte, winkte sie. Ich ging zu ihr und musste brüllen, um mich verständlich zu machen.
»Wie läuft’s?«
Sie gab mir zu verstehen, dass alles in Ordnung war. und deutete zur Bar. Ich folgte ihr dorthin.
»Möchten Sie etwas trinken, Sir?«
»Im Dienst besser nicht, Helen.«
»Ich bin nicht im Dienst.« Sie bestellte mir eine Cola. Der Barkeeper – derselbe wie bei meinem vorhergehenden Besuch – nahm die Bestellung entgegen, schenkte mir ein unaufrichtiges Lächeln und machte sich auf die Suche nach unseren Getränken.
Helen sah jünger aus als auf der Wache. Ihre Augen strahlten, ihre Haut war geschmeidig und geschminkt, ihr Mund schmallippig. Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, doch sie fiel ihr sofort wieder ins Gesicht.
»Ich glaube, ich habe etwas zu dem Einbruch«, erklärte sie, als ihr Bier vor ihr stand.
»Tatsächlich?«
Sie nickte ein wenig übereifrig. »Unser Einbrecher hat Gosto-Turnschuhe Größe sechsundvierzig getragen«, sagte sie und unterstrich ihre Aussage mit einem abschließenden energischen Nicken, als würde allein diese Information genügen, um den Fall zu knacken.
»Und?«, fragte ich, da ich mit mehr rechnete.
Sie riss ein wenig die Augen auf, als wollte sie mich dazu ermuntern, ihre Begeisterung zu teilen, und ich merkte, dass meine Reaktion nicht gerade ermutigend gewesen war.
»Das ist großartig, Helen«, sagte ich also und lächelte, so aufrichtig ich konnte. »Wie haben Sie das herausgefunden?«
Gerade, als sie mir antwortete, wurde die Musik lauter. Ich zuckte die Achseln, um ihr zu verstehen zu geben, dass ich sie nicht gehört hatte.
Sie beugte sich zu mir und legte mir die Hand auf die Brust; ihre Wange berührte sanft meine Wange. Als sie sprach, streiften ihre Lippen, die feucht und kalt vom Bier waren, immer wieder die Haut an meinem Ohr, sodass mir unwillkürlich ein Schauer über den Rücken lief. »Ich bin durch sämtliche Geschäfte gezogen, bis jemand den passenden Schuh zu Ihrem Foto fand«, sagte sie.
Ich wich ein Stück zurück und nickte. »Sehr gute Arbeit, Helen. Harkin hat Glück, dass Sie den Fall bearbeiten. Ich glaube, ein anderer hätte sich nicht so viel Mühe gegeben.«
Sie beugte sich erneut zu mir, und als sie antwortete, klang ihre Stimme ein wenig tiefer als zuvor.
»Ich möchte es gut machen, Sir. Mir einen Namen machen. Verstehen Sie?«
»Das werden Sie bestimmt, Helen«, sagte ich, den Mund dicht an ihrem Ohr. Ihr Hals war geschmeidig, die Haut blass und leicht
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