Galgenweg
dachte über Unausgesprochenes nach. »Wenn Sie die Gelegenheit bekommen, Inspector, nehmen Sie ihn nicht fest. Erschießen Sie den Scheißkerl und fertig, ja?« Als die Worte heraus waren, bekreuzigte sie sich, murmelte: »Gott vergib mir« und stieg ins Auto.
Ich legte ihr die Hand auf die Schulter, um sie aufzuhalten. »Keine Angst«, sagte ich. »Wir sorgen schon dafür, dass er dafür bezahlen wird.«
»Nicht annähernd genug«, sagte sie nüchtern.
Später setzten Williams und ich uns im Büro zusammen und besprachen den Fall. Ich berichtete ihr, was im Club Manhattan vorgefallen war, dass wir den Verdächtigen gesehen hatten, und was danach in der Seitengasse geschehen war.
»Geht es Ihnen denn gut?«, fragte sie. »Sollten Sie nicht lieber zu Hause bleiben oder so?«
»Mir geht’s gut, danke«, sagte ich. »Es ist nicht der Rede wert.«
»Sie müssen vorsichtiger sein«, meinte sie ärgerlich.
»Ich weiß. Wie auch immer, was unternehmen wir jetzt?« Ich spielte mit dem Notizbuch, das aufgeschlagen vor mir auf dem Tisch lag. »Im Hinblick auf unseren Mann?«
»Wir wissen, dass er groß ist und eine Glatze hat. Wir wissen, dass er einen silbernen BMW fährt und eine Tätowierung von Cuchulain trägt.«
»Genau genommen«, korrigierte ich sie, »wissen wir, dass er mehrere Autos hat: schwarz, rot und silberfarben.«
»Wir glauben außerdem, er könnte Boxer sein oder eine andere Kampfsportart betreiben.«
»Möglicherweise«, schränkte ich ein.
»Okay«, stimmte Williams mir zu. »Also klappern wir die ganzen Fitnessstudios und Sportclubs hier in der Gegend ab, mal sehen, ob jemand die Tätowierung wiedererkennt. Vielleicht besuchen wir auch noch mal Peter McDermott. Mal sehen, ob er etwas für uns herausgefunden hat.«
»Lassen Sie uns einfach unsere Sachen zusammensuchen. Heute ist sowieso nirgends geöffnet. Außerdem kommen morgen die Leute vom NBCI . Ich nehme meinen Papierkram mit nach Hause und sortiere die Sachen für sie. Und morgen muss ich auch nach Sligo zu diesem verdammten Bewerbungsgespräch.«
Caroline legte ihre Hand auf meine. »Machen Sie sich keine Sorgen. Alles wird gut. Sie werden sehen«, sagte sie und lächelte ein wenig traurig.
Den restlichen Sonntag verbrachte ich mit Debs und den Kindern und versuchte verzweifelt, zu verdrängen, dass der nächste Morgen sowohl die Ankunft der Männer vom NBCI bringen würde als auch die Ankunft der Kommission, die das Bewerbungsgespräch mit mir führen sollte. Doch trotz aller Bemühungen um Leichtigkeit konnten weder Debbie noch ich ignorieren, dass Miriam Powell wieder in unser Leben getreten war.
Debbie war an diesem Abend stiller als gewöhnlich, beantwortete Fragen nur halb und brach zerstreut mitten im Satz ab. Sie stand mit dem Rücken zu mir in der Küche, ihre Hände steckten im Spülwasser, und sie starrte reglos hinaus in den Garten hinterm Haus, wo Frank mit einem von Shanes kleinen Fußbällen spielte.
»Ich weiß immer noch nicht, was ich morgen sagen soll«, verkündete ich und hoffte, Debbie werde mir sagen, was ich tun solle, sodass ich die Verantwortung an sie abgeben konnte. Dabei fiel mir wieder ein, was ich auf Declan O’Kanes Grundstück getan hatte.
»Was?«, fragte sie, immer noch mit dem Rücken zu mir.
»Ich habe gesagt, ich weiß nicht, was ich morgen sagen soll«, wiederholte ich.
»Ich weiß es auch nicht, Ben«, entgegnete sie scharf. »Sag, was du willst.«
»Was ist denn los?« Ich ging zu ihr und legte ihr von hinten die Arme um die Taille.
Sie schüttelte mich ab und schnalzte verärgert mit der Zunge. »Nichts ist los«, sagte sie. »Ich kann nur deine Entscheidung nicht für dich treffen.« Sie nahm ein Geschirrhandtuch von der Arbeitsplatte neben der Spüle und trocknete sich energisch Hände und Unterarme ab.
»Soll ich ihnen erzählen, dass Patterson die Drogen da deponiert hat?«, fragte ich.
Sie warf mir einen spöttischen Blick zu. »Weißt du, Ehrlichkeit ist nicht immer eine Tugend, Ben. Pass auf, dass du nicht selbstgerecht wirst.« Sie reichte mir das zusammengeknüllte Handtuch und ging aus der Küche.
18
Montag, 14. Juni
Die ganze Nacht polterte das seit langem angekündigte Gewitter über dem Donegal, überflutete die Felder und Weiden und erzeugte auf den Straßen eine glänzende Schicht aus Staub und Öl, die bis zum Mittag diverse Unfälle verursachen würde.
Gegen drei Uhr dreißig weckte mich ein Knall, der lauter war als das Gewitter. Debbie war bereits wach
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