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Galgenweg

Galgenweg

Titel: Galgenweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian McGilloway
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er, und zum ersten Mal in diesem Gespräch klang seine Stimme etwas lebhafter.
    »Nein, Sir, das glaube ich nicht.«
    »Oh.« Die Enttäuschung in seiner Stimme war nicht zu überhören. Dann war die Leitung tot.
    Mir war klar, dass ich dem Mann nicht das gesagt hatte, was er hatte hören wollen, doch ich hoffte, das Wissen um die Tatsache, dass jemand für den Angriff auf seine Tochter zur Rechenschaft gezogen werden würde, würde seinen Zorn ein wenig lindern. Und die Schuldgefühle, von denen ich annahm, dass er sie verspürte, weil er nicht für seine Tochter da gewesen war, als sie Hilfe brauchte.
    Doch sein Anruf veranlasste mich immerhin, Agnes Doherty anzurufen und ihr zu sagen, dass der Mörder ihrer Schwester nun hoffentlich nicht mehr frei herumlief. Wie sich herausstellte, hatte auch sie dies bereits aus dem Radio erfahren.
    »Ich habe gehört, dass jemand verletzt wurde. Waren Sie das?«, fragte sie.
    »Nur leicht«, sagte ich. »Nichts, was mich umhaut.« Ich lachte verlegen. Meine Verletzungen waren im Vergleich zu dem, was ihr und ihrer Familie angetan worden war, nicht der Rede wert.
    »Es tut mir leid, dass Sie verletzt wurden«, sagte sie. »Ihre Frau hat sich bestimmt große Sorgen um Sie gemacht.«
    »Ganz ehrlich, Miss Doherty: Es bedeutet gar nichts.«
    »Mir bedeutet es etwas«, erklärte sie schlicht.
    Ich wusste nicht, was ich sonst noch sagen sollte. »Ich … ich dachte nur, Sie sollten wissen, dass wir –«
    »Danke, dass Sie den Mörder meiner Schwester gefasst haben, Inspector.«
    Im Anschluss an dieses Telefonat saß ich in der Dämmerung da, dachte über das nach, was Caroline Williams und Agnes Doherty gesagt hatten, und ließ die Geschehnisse der vergangenen Wochen Revue passieren, und die zahlreichen Toten. Ich blieb noch einige Minuten allein dort draußen sitzen, dann ging ich hinein zu meiner Familie.

23
    Freitag, 18.   Juni
    Um fünf Uhr dreißig am Morgen erlangte Daniel McLaughlin das Bewusstsein zurück. Nachdem die Ärzte ihn gründlich untersucht hatten und er sich mit seinem Anwalt, dem allgegenwärtigen Gerard Brown, besprochen hatte, war er um acht Uhr bereit, in seinem Krankenzimmer vernommen zu werden. Dempsey und seine beiden Sergeants waren anwesend, ebenso ich, außerdem Costello und Helen Gorman, die ich benachrichtigt hatte, für den Fall, dass die Befragung auch ihre Ermittlungen zu dem Medikamentendiebstahl betraf.
    Bevor wir begannen, schaute ich bei Caroline vorbei. Sie saß im Bett und frühstückte. Und sie hoffte, dass sie rechtzeitig zum Wochenende entlassen wurde. Peter hatte ihr am Vorabend mit Debbie zusammen eine Genesungskarte gebastelt. Er hatte ein Strichfrauchen mit einem Kind gemalt, und oben auf dem Blatt standen die schlichten Worte: »Ich liebe dich, Mami.«
    McLaughlin saß ebenfalls aufrecht im Bett, im Rücken von mehreren Kissen gestützt. Sein Krankenhaushemd reichte gerade um seine Schultern herum; der Rücken war nackt, und die Muskeln waren angespannt. Die Hände lagen ineinander verschränkt im Schoß. Die Tätowierung von Cuchulain auf seinem Arm war gut zu erkennen, die Farben leuchteten. Doch was mich am meisten erschütterte, war McLaughlins Gesicht. Sein Gesicht war grausam. Er hatte die Augen zusammengekniffen, und die Lider waren schwer wie die eines Reptils; seine breite Nase saß schief, wo sie einmal gebrochen gewesen war, die Nasenflügel waren geweitet. Seine Lippen waren schmal, die Zähne krumm. In seinem Kinn arbeitete es, wenn er nicht sprach.
    Als ich mich gesetzt hatte, schaltete Dempsey das mitgebrachte Aufnahmegerät ein, und ich stellte die Anwesenden vor. Dann erklärte ich McLaughlin, dass man ihn nun im Zusammenhang mit einer Reihe schwerer Verbrechen in der Gegend vernehmen würde. Er antwortete nicht, sondern zuckte nur ganz leicht mit dem Kopf, als wollte er nicken.
    »Mr   McLaughlin, zuerst möchten wir Sie nach Karen Doherty fragen.«
    Er warf mir einen verblüfften Blick zu, dann sah er seinen Anwalt an, der an seinem Bett saß, und schließlich wieder mich. Scheinheilig runzelte er die Stirn und machte einen Schmollmund.
    »Nie von ihr gehört.«
    Ich legte eine Fotografie vor ihn auf die Bettdecke. Sie war mehrere Monate zuvor aufgenommen worden; Agnes hatte sie einem Mitarbeiter der Opferhilfe gegeben.
    »Kenne ich nicht«, sagte er achselzuckend. Seine Schultern schienen sich etwas zu entspannen; seine gesamte Körpersprache veränderte sich, ohne dass ich es hätte erklären können.
    »Sind

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