Galileis Freundin (German Edition)
Geschichte, die Rhetorik, die Kunst und die Musik. Bald wirst du jedem überlegen sein, unabhängig von deinem Alter.
Kannst du dir vorstellen, mein Kind, das Fernrohr des hoch gelehrten Herrn Galileo Galilei in deiner Hand zu halten? Kannst du dir vorstellen, mit frei denkenden Menschen zu disputieren? Und wundere dich nicht, wenn du bei deinem Blick in den Himmel, deinen eigenen Geist dabei ertappst, wie er durch die Gestirne wandert. Du wirst soviel Wissen und Weisheit besitzen, dass dich die größten Herrscher dieser Welt verehren werden. Du wirst umgeben sein von Liebe und von Schönheit. Du wirst dein Land lieben, und niemals wirst du dich von den lieblichen toskanischen Hügeln fernhalten können. Dein Vater wird dich schützen, mein Kind. Ich liebe dich.“
Galileo Galilei
Die Mutter war nun früh verstorben, der Vater eilte sich in Florenz, die Unfähigkeiten des Herrschergeschlechtes auf ein erträgliches Maß zu drücken. Lehrer aus der berühmten Schule von San Gimignano erteilten der heranwachsenden Gräfin Unterricht. In der Burg Picchena übte sie früh Lesen und Schreiben, ging mit den Zahlen der Mathematik und Physik um und disputierte mit dem Freund des Hauses, Galileo Galilei, über die Wandelbarkeit der Sterne. In den musischen Künsten unterwies sie der Mönch Pandolfini aus Florenz, ein junger, beschlag e ner und tölpelhafter Bursche aus dem Kloster San Frediano.
Unheilschwangere Sprüche murmelnd schwebte, wie seit Anbeginn, die Amme Nanini durch die dunklen Gänge der Burg Picchena, verbreitete bei der einfältigen Dienerschaft Angst und Schrecken und malte bei jeglicher Gelegenheit den Teufel unter die Fresken an den Wänden in der Burg und in dem bescheidenen Palazzo in Florenz. Eine Zofe half der kleinen Gräfin bei ihrer Toilette, doch die Erziehung zur ersten Dame einer der angesehensten und einflussrei c hsten Familien am Herrscherhofe oblag dem buckligen, hakennasigen und unscheinbaren Geist Nanini. Die von den Mächten des Unerklärlichen umwobene hutzlige Frau aus der Gegend um Friaul ließ nicht nach, ihre Schutzbefohlene darin anzuhalten, die Bibel zu studieren. Selbst des Lesens und Schreibens unkundig war ihr der Drang des Mädchens, in den staubigen Schriften der Bibliothek zu wühlen, unverständlich und zeugte von teuflischen Kräften.
Wissbegierig und lerneifrig studierte dagegen das aufgeweckte Mädchen Tag für Tag in den Bücherregalen ihres Vaters. Aus den Handschriften und Druckwerken erforschte sie das Wi s sen, das ihre meist klerikalen Lehrer ihr vorenthielten, und über das sie wohl selber nicht ve r fügten.
In den lieblichen und schuldlosen Tagen des Heranwachsens auf Picchena gewann sie die Z u neigung der einfachen Bevölkerung, freundete sich mit den Landkindern an und erschien gerne als Gast in den Stuben der ärmsten Bauern. Die Bücher aus der Bibliothek erzählten von der Sucht zur Unterdrückung durch die Mächtigen, das Leben der Bauern enthüllte ihr bald die meist unbegrenzte Bereitschaft, unterdrückt zu werden. Zwischen diesen Polen wurde die Wissbegierige hin-und her geworfen und fand kaum Gelegenheit, die Erkenntnisse aus den Büchern mit ihren Lehrern zu besprechen und die Dummheit der Bauern in den gleichen kler i kalen Unterweisungen anzuprangern. Nur recht wenig ergab sich für die Lernende auch die Gelegenheit, mit dem Freund des Hauses und dem Vertrauten ihres Vaters, Galileo Galilei, zusammenzutreffen. Umso beflissener nutzte sie die Möglichkeit, ihren väterlichen Freund um das Wissen zu befragen, das er im Reich der Mathematik und der Sternenkunde gesammelt hatte. Freund Galilei erzählte mit wahrer Hingabe von seinen Erkenntnissen, und seine Stimme donnerte lebendig und Furcht einflößend über die einsamen Höhenzüge von Picchena, wenn er die Unwissenheit und Verstocktheit der Menschen beklagte.
Als sich im August 1618 une r klärliche Lichterscheinungen am nächtlichen Himmel zeigten, wusste das kleine Mädchen, dass die gleichen Menschen, die ihren lieben Freund, den großen Gelehrten Galileo Galilei, ang e prangert hatten, ihn ängstlich um die Erklärung der Himmelswunder fragen würden.
Abend für Abend versammelte sich eine wachsende Zahl von Neugierigen auf der Piazza Gra n duca, die aufgeregt und mit ernsten Gesichtern miteinander debattierten. Nach Sonnenunte r gang, wenn auch das letzte Restlicht der Dämmerung dem Mantel der Nacht gew i chen war, richteten sie ihren Blick fragend in den Himmel, vorbei an
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