Galileis Freundin (German Edition)
Platz unter diesem Fenster schien ein frequentierter Ort zu sein, da sich rundherum kaum Sträucher oder Brennnessel befanden. Viele Nonnen und Co n versen schienen diesen genüsslichen Platz zu kennen. Die Akteure hinter dem Fenster, die Ve r ursacher des Interesses, nicht.
Die junge Gräfin lauschte in die Nacht. Ihr Interesse galt diesem einen, glaslosen Fenster. Sie hörte nichts. Bald aber wurde ihr geschärftes Gehör fündig in der Dunkelheit. Unzweifelhaft, dies waren Geräusche eines Mannes und einer Frau. Die Herkunft und der Grund dieser G e räusche waren deutlich auszumachen. Es waren die Laute einer ungehemmten Liebesnacht. Es war auch eindeutig ein Mann mit im Spiel, der nicht nur der Oberin zu Diensten war, sondern der auch selbst seine Forderungen ungehemmt stellte.
„Merkt euch diesen Baum hier“, flüsterte die neue Freundin Julia, „unter diesem Baum liegt das Fenster der Zelle unserer Suore Mattea. Wenn hier nich t die Stimme des heiligen Herr n zu hören ist, so wird es die Stimme einer unserer Schwestern sein. Ich hoffe nicht, dass es eines Nachts eure Stimme sein wird.“
In der dunklen Nacht lief die Gräfin rot an.
„Niemals“, flüsterte sie.
Dann erhoben sich die beiden heimlichen Lauscher und begaben sich zurück in die Zelle der Neuangekommenen.
„Was können wir tun?“ fragte die Gräfin Picchena, froh darüber, unbemerkt in ihre Zelle z u rückgekehrt zu sein.
„Wenn ihr so denkt wie ich, dann müssen wir zusammenhalten, uns gegenseitig schützen, fü r einander da sein. Vielleicht finden wir noch einige Komplizinnen. Das allerdings bezweifle ich. In diesem Kloster herrschen Angst, Feigheit und Untertänigkeit.“
„Warum erzählt ihr das alles mir? Wie kommt ihr dazu, ausgerechnet zu mir Vertrauen zu h a ben. Warum seid ihr so sicher, dass ich euch nicht an die Suore Mattea verrate?“
„Ihr habt mich nicht erkannt. Wahrscheinlich kennt ihr mich noch nicht einmal. Ich war eine Dame bei Hofe. Ich war für euch sicherlich nur eine der vielen unwürdigen Schwätzerinnen bei den Empfängen des Großherzogs, wenn ihr an der Hand eures Vaters, die Ehrengäste des Sta a tes Toskana begrüßt habt. Ich durfte nur aus der Entfernung zuschauen, den Männern eine gute Unterhaltung sein. Ich aber habe euch bewundert. Ich merkte von Beginn an, ihr wart nicht eine der üblichen nichts sagenden und nichtswissenden Geschöpfe, die nur den Männern dienlich sein wollten. Ihr wart anders.
Ich verfolgte einmal eine Unterhaltung, die ihr, noch als junges Mädchen, mit einem der Abg e sandten aus Frankreich hattet. Ich muss gestehen, ich hatte nichts davon verstanden, aber u m somehr bewunderte ich euch. Ein leichter Hass gegen euch wuchs sogar in meinem Herzen. Ich verstand nicht, warum ihr soviel mehr wert sein solltet als ich. Hier aber und jetzt, Caterina Picchena, ist kein Platz für Hass , noch nicht einmal für Neid und Missgunst . Wir müssen z u sammenhalten, wir müssen eins sein, in Einem denken, sonst werden wir hier zu Grunde g e hen.“
Die Rede der Frau und ihr Mut, sich grenzenlos ihr anzuvertrauen, beeindruckten die Gräfin. Sie fasste den Entschluss , der nächtlichen Besucherin Vertrauen entgegenzubringen.
„Ich bin auf eurer Seite“, sagte sie spontan. "Ich bin die eure. Ich danke für euer Vertrauen. Was sollen wir tun?“
„Nichts zur Zeit. Nichts, was Aktivität oder Aktion bedeuten würde. Nur eines. Wachsam müssen wir sein. Uns gegenseitig müssen wir informieren. Wenn eine von uns in Not ist, weiß die andere vielleicht eine Lösung, weil sie nicht so unter Druck steht.“
Caterina akzeptierte unausgesprochen die Vorherrschaft ihrer neuen Komplizin. Sie war länger in diesem Kloster, sie hatte die örtliche Erfahrung.
Die beiden Frauen reichten sich die Hand. Sie umarmten sich. Stillschweigend, ohne ein Wort, schworen sie sich gegenseitig die Treue im Kampf gegen die Unterdrückung. Sie legten sich gegenseitig einen Finger auf die Lippen zum Zeichen ihrer Verschwiegenheit. Dann löste sich Julia.
In den nächsten Tagen begegnete sie öfter in der Kirche ihrer neuen Komplizin, doch kein Blick, kein Signal verriet die neue Partnerschaft.
Die Gräfin Picchena lernte schnell die Regeln des klösterlichen Lebens. Sie bemühte sich, die Vorschriften einzuhalten und auch bei den Handarbeiten zu beten. Sie war bei den Chorgebeten regelmäßig zur Stelle, sie meditierte mit den Nonnen und Conversen, eilte stets zur Messe und erschien pünktlich zum
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