Galileis Freundin (German Edition)
die durch das offene Fenster in den kleinen Raum drang, ließ sie frösteln. Sie atmete kaum, ni e mand sollte erkennen, dass sie hinter der Tür stand. Sie fürchtete, ihr Herzschlag könnte von jedermann wahrgenommen werden. Sie hörte erneut ein leises Klopfen, so als hätte der nächtl i che Besucher Angst, entdeckt zu werden. Eine dünne Stimme rief leise flüsternd „Caterina.“
Die Stimme war nicht zu erkennen , stammte sie von einer Nonne oder einer Converse? Wer wollte sich ihr auf diese geheimnisvolle Weise nähern ? Sie hatte keine Freundin, niemanden, die sie bisher besonders angesprochen hätte. Wieder hörte sie die Stimme ihren Namen flü s tern. Zitternd beleuchtete sie den Riegel an ihrer Tür, schob ihn langsam zurück und zog die Tür auf. Im Dunkel des Dormitoriums, direkt in dem geöffneten Türspalt, leuchtete ihre Kerze ein Gesicht an. Eine junge Frau in einem grauen Nachtgewand bat mit einer Handbewegung um Einlass . Ihre Augen wirkten hohl, die Nase lang und unförmig, die Wangenknochen schi e nen mächtig hervorzutreten. Das Nachtgewand fiel über schmale Schultern, die sich von einem zarten Hals nach unten fortsetzten. Unter dem grauen Kleid wölbte sich ein freier Busen, der noch nicht lange die Qual der Unterdrückung in einem Kloster erfahren hatte.
Caterina trat zur Seite und ließ die Frau herein. Die Fremde schritt leise bis an das andere Ende der Zelle und setzte sich ungefragt auf den einzigen Stuhl im Raum. Die wenigen Möbel, die Gestalt der fremden Frau wirkten gespenstisch. Caterina stellte die Kerze auf den kargen Nachttisch, der neben ihrem Bett stand. Die kleine Flamme zitterte unruhig in dem Luftzug, der durch das Fenster in den Raum drang. Das Gesicht der Fremden wirkte jetzt noch strenger und abstoßender als an der Tür. Die Augen bewegten sich unruhig hin und her. Ihr Körpe r schatten tanzte durch das unruhige Kerzenlicht rastlos auf der Zellenwand. Die Besucherin wirkte recht ruhig. Sie schien ein Ziel, eine Aufgabe zu verfolgen, die ihr den Mut gaben, nachts durch das Kloster zu schleichen. Hingegen zitterten die Hände und die Lippen der neuen Converse, erschöpft von dem traumatischen Schlaf, beunruhigt durch die Besucherin, voller Angst über eine unsichere Zukunft. Die Fremde blickte fest auf die zitternden Hände.
„Was wollt ihr hier, mitten in der Nacht, von mir?“ fragte die Gräfin leise. „Ihr wisst , dass Bes u che in einer anderen Zelle, erst recht in der Nacht, verboten sind. Das hat mich die Schwester Oberin, Suore Mattea, bereits heute gelehrt. Ich will mich an diese Regel halten. Was bewegt euch, diese Regel zu durchbrechen? Wer seid ihr?“
„Ich bin eine Converse, wie ihr es seid. Mit einem Unterschied. Während ihr erst heute eing e troffen seid, darbe ich bereits seit ein paar Wochen hier.“
„Woher kennt ihr mich, woher nehmt ihr den Mut, mich mitternachts zu besuchen, in meine Zelle einzudringen? Mattea wird uns beide bestrafen. Ich meinerseits will in meinem Leben endlich zu meiner Ruhe gelangen.“
„Ich kenne euch, verehrte Gräfin, Caterina Picchena, als eine Frau, die immer sich selbst darg e stellt hat, als eine Frau, die bestimmt nicht freiwillig in dieses Kloster gekommen ist, als eine Frau, lasst mich das sagen, die hinter diesen Klostermauern nicht glücklich werden kann.“
„Was fällt euch ein, so etwas zu behaupten, ich sage euch eins, ich bin eine getreue Gottesdi e nerin, ich will in der Kirche endlich meinen Seelenfrieden finden. Kommt nicht nachts daher und stört meine Ruhe. Ich werde euch bei der Suore Mattea zur Anzeige bringen. Verschwi n det aus meiner Zelle, lasst mich des Nachts ruhen.“
„Ich kenne euch zu genau, Caterina, ihr werdet mich nicht zur Anzeige bringen. Wenn ihr es wollt, so geht doch hinaus und ruft nach Hilfe. Man wird euch verdächtigen, sofort nach eurem Eintritt in das Kloster eine andere Converse in eure Kammer eingeladen zu haben, um euer Fleisch zu beglücken. Ich bin bereits einige Wochen hier, habe mich sittsam und korrekt verha l ten, man wirft mir nichts vor. Euren Einfluss auf Menschen, Männer wie Frauen, kennt man.“
„Was also wollt ihr von mir. Seid ihr auch eine von denjenigen, die mich noch tiefer in mein Unglück stürzen wollen?“
„Nichts dergleichen, Caterina Picchena, ich suche eine Verbündete, die mir hilft, die Dinge an das Licht des Tages zu rücken. Ich bin auf dem gleichen Wege hergekommen wie ihr. Ich will so schnell wie möglich hinaus. Hier herrscht
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