Galileis Freundin (German Edition)
versinken. Dann bereits werde ich der glücklichste Kavalier der schönsten Frau dieser Erde sein.
Wenn Du diese Zeilen wahrnehmen wirst, werden sich bereits die Hufe meines schnellen Pfe r des in den Staub der Straße bohren, wird mein Antlitz von Schweiß und Ungeduld geprägt sein, weil ich nicht schnell genug, Dir, meine Caterina, entgegen fliegen kann. Ich werde kaum ruhen und rasten, bis ich das Ziel aller meiner Wünsche, das Zusammensein mit Dir erreicht habe.
Mit großzügigen Zeichen war der Name ihres lieben Marzial Frains d'Aix unter den Brief g e setzt. Die Liebe hatte seine Feder beflügelt.
Tränen der Freude und der Erfüllung standen in ihren Augen. Eine Träne, glitzernd und schimmernd wie eine Perle, fiel auf das Blatt mit den lieben Zeilen und durchfeuchtete die herzlichen Worte. Die junge Gräfin griff zu einem Tüchlein und wischte sich die glücklichen kleinen Edelsteine aus ihren Augen. Ruhe kehrte in ihr Herz, Ruhe die sie endlich heimführen sollte in die starken Arme des sie und ihren Sohn schützenden Mannes.
Zitternd las sie immer wieder die lieben Worte, wischte sich die Tränen aus den Augen, die sie daran hindern wollten, das Liebste, was sie jemals empfangen hatte, aufzunehmen. Sie küsste den Brief, sie fuhr zärtlich mit den Spitzen ihrer Finger über die Zeilen, die sie mit soviel Glück überhäuften. Sie hatte es gewusst , Marzial Frains d’Aix war ein ehrlicher Mann. Er war ein Mann, der trotz aller Schwierigkeiten zu ihr stand und sie liebte.
Dort, wo im Jahre 1214 dereinst der Einsiedler Meister Pierre die Erlaubnis des Abtes von Saint Victor erhalten hatte, eine Kapelle zu bauen, stand mächtig und weithin über das Meer sichtbar, die Kapelle ‘Notre Dame de la Garde’. Vor einigen Wochen über das Meer von W e sten kommend, hatte ihnen diese Kapelle als glückliches Zeichen der Ankunft gegolten. Nun wanderten die beiden Verliebten den weiten Fußweg von den Kais des Hafens zu den Hügeln dieser Kirche. Drei Tage nach der Ankunft seines Briefes war Frains überraschend in ihrer Kammer erschienen. Sie und er waren sprachlos. Erschüttert brachte sie keinen Ton heraus. Die Stimmlosigkeit der Überwältigten schnürte ihr die Kehle zu. Es dauerte lang, bis sich die Gräfin gefangen hatte. Zu abenteuerlich war ihre Reise gewesen, zu groß die unermessliche Vorfreude. Nun wanderten sie gemeinsam den Weg hoch zu Notre Dame de La Garde.
Sie saßen am Rande der Kapelle auf den Mauern der einhundert Jahre alten Festung und schauten über das weite Land und die See. Zu ihrer Rechten lag der tiefe Einschnitt des Me e res, der dem Hafen von Marseille natürlichen Schutz bot. Die zahlreichen Schiffe an den Kais und vor Anker wirkten von dieser Höhe wie die kleinen Spielzeuge, die Caterina als Kind auf dem kleinen Bach und dem stillen Teich unterhalb ihrer Burg hatte schwimmen lassen. Hinter diesen Kais pulsierte, eingebettet und umrahmt von mächtigen Mauern, die liebliche Stadt. Direkt nach Norden zog sich in einem weiten Bogen die breit ausladende Bucht von Marseille. Im Westen lag das offene Meer, das ihnen nach dem Leben getrachtet, das ihnen aber auch erst diese Flucht ermöglicht hatte. Aus dem lebendigen Hafen drang kein Laut bis zu ihrem Ze n trum. Sie beobachteten Schiffe, die sich langsam unter voller Besegelung über das Wasser b e wegten. Ein leichter Wind umfächelte die verliebten, heißen Gesichter. Die Blätter der Bäume um sie herum schwankten ein wenig, als wollten sie nur den Staub von ihrem Grün abschütteln. Ein paar Grillen zirpten. Aus dem Tal stieg durch den frischen Wald die kühle Luft.
„Wie klein alles von hier oben aussieht“, flüsterte Caterina, als wollte sie den friedlichen Atem der Natur nicht stören. „Selbst die großen, mächtigen Galeonen, die dort vor Anker liegen, sind von hier aus ganz klein. Die Häuser sind so winzig und die Menschen auf den Kais sind bald gar nicht zu sehen. Wie unwichtig scheint von hier aus ein Menschenleben, ein einzelnes Schicksal zu sein. Groß und doch klein. Was uns die Natur mit einem solchen Blick schenkt, ist gleichermaßen klein und groß. Bescheiden sollte sich jeder einmal sehen, der sich in seiner B e deutung zu groß sieht. Ich wünschte manch einem Medici oder Kardinal Giancarlo einen Fu ß marsch in einem Bauernkleid zu dieser herrlichen Kapelle. Auf der anderen Seite ist jeder ei n zelne Mensch, den wir so winzig dort unten auf den Kais sehen, in sich ein solch großes und prächtiges
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