Galileis Freundin (German Edition)
Zeremonien und die Segnungen in einem Zug der Händler und Soldaten waren für ihn neu. Er betrachtete von hinten die ve r wegenen Gesichter seiner Kumpane, ihre wilden, unrasierten Wangen und er machte sich G e danken über manch eine breite Narbe, die dem einen oder anderen quer durchs Gesicht lief.
Die Kleidung der Treiber erweckte den Eindruck, als sei sie den Burschen angeboren. Zumi n dest schien sie nicht oft gewechselt worden zu sein. Der Arzt hatte seine Bauernkleidung längst aufgegeben. Ein großer, breitrandiger Hut bedeckte sein Haupt. Sowohl gegen die noch sehr starken Sonnenstrahlen als auch gegen Regen oder Kälte war diese Kopfbedeckung gut geei g net. Seinen Oberkörper hatte er mit einem leinenen Hemd und einem kurzen Wams geschützt. Eine Pluderhose „à la mode francaise“ machte das reiten während einer solch langen Strecke erträglich. Weiche Lederschuhe mit abgeplatteten Spitzen von französischen Schuhmachern, eigens für ihn gefertigt, boten ihm Halt, Sicherheit und Schutz vor Kälte und Nässe. Für die kommenden kälteren Tage hatte er sich noch einen langen Umhang zugelegt, der ihm fast bis zu den Füßen reichte. Sein Gepäck hatte ein Diener übernommen, der ein zusätzliches Maultier führte.
Der Priester war nun bei Valerio angelangt. Er stutzte einen Augenblick, als er die neue, vo r nehme Kleidung des Herrn sah. Er schien Valerio als reichen Händler einzuschätzen und segn e te ihn dreimal. Valerio erfasste den Saum des Priestergewandes und küsste ihn.
"Erhebt euch, mein Sohn", sprach der Pfarrer, "sagt an, welchen Zweck hat eure Reise?"
"Pater, ich bin auf dem Weg zurück in meine Heimatstadt San Gimignano, nahe Florenz. Ich habe mehrere Wochen in Marseille verbracht, will nun zurück in meine Heimat."
"Was habt ihr in dieser lauten Stadt Marseille getrieben? Sicher gab es einen Grund für euer Tun?"
Nun verstrickte sich Valerio bei dem Priester in seine erste Lüge. Er schilderte, dass er Studien der Medizin betrieben habe, vor allem habe er sich mit der Heilung der Pest beschäftigt, um die Erfahrungen der Franzosen und der Toskaner zu vereinen.
"So mögen denn eure Studien und gemeinsamen Erfahrungen von Erfolg gekrönt sein."
Der Priester nickte dem Arzt aufmunternd zu. "Beten wir zu Gott, dass er uns nicht noch ei n mal mit der Geißel der Pest straft. Und ihr, mein Sohn", fuhr der Gottesmann fort, "ihr habt nicht die Lust verspürt, euch auf den bequemeren Seeweg zu begeben?"
"So wie diese erfahrenen Kaufleute den Landweg vorziehen, wegen der großen Gefahr durch Piraten auf dem Meer, so sehe auch ich mich geschützter auf dem Landweg. Ich leide zu stark unter einem Übel, das man Seekrankheit nennt, und das manch einen Reisenden zur See schon den Tod hat wünschen lassen."
Es war nicht unrecht, was der Arzt schilderte. Die Übelkeit beim Sturm auf Bools kleinem Schiff hatte ihm mehr als manchem sonst zugesetzt.
"So habt denn eine gute Reise und Gottes Segen sei mit euch", der Priester segnete noch ei n mal den Arzt, dann wandte er sich ab und ging zurück durch die Reihen.
Valerio blickte dem Pfarrer und seinen Ministranten nach, als er sich bei den beiden Kaufleuten noch längere Zeit aufhielt. Am Kopf des Zuges stand auch der andere Gast des Kaufmannsz u ges.
Der Medikus hatte diesen Signore noch nicht näher kennen gelernt . E in Mönch in einer Kutte, der erst kürzlich zu der Karawane gestoßen war, der sich aber bei all seinen Bewegu n gen sehr bedeckt hielt. Eine dunkle Kapuze schützte seinen Kopf. Von seinem Gesicht war nicht viel zu sehen. Der Arzt hatte vernommen, dass sich dieser Mönch auf einer Pilgerfahrt nach Rom zum Heiligen Jahr befand. Zu einem ersten längeren Aufenthalt aber wollte er sich nach Florenz begeben und dort in der Kirche San Marco predigen. Valerio hatte kein Ve r ständnis dafür, warum der Mönch mit dieser Karawane zog. Eine kleinere Gruppe von Pilgern hätte ihn schneller in die Hauptstadt der Toskana bringen können.
Nun, die Entscheidungen der Menschen gehen oft seltsame Pfade. Was für ihn an dieser Stelle nicht erklärbar schien, mag für den Mönch einen guten Grund gehabt haben. Er wollte nicht, dass man ihn stets nach dem Sinn seiner Reise fragte. Genauso wenig wollte er den anderen Gast fragen.
Die Karawane setzte sich langsam in einer geordneten Reihe in Bewegung. Die Zuschauer auf dem Marktplatz des kleinen Dorfes riefen vielstimmig "hoch, hoch", und "gute Reise". Die Musikanten spielten ein Abschiedslied.
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