Galileis Freundin (German Edition)
Mönch hörte diese Worte des Medikus nicht.
"Ein wesentlicher Zug der abgespaltenen Christen war ihr Drang zur Reinheit und zur Askese“, f uhr er indes fort, „ihre Seele wollten sie von dem Körper befreien , dass sie frei wandern konnte in das nächste Reich. Sie sagten, nicht Gott befreit den Menschen alleine durch den Glauben. Der Mensch muss sich selber befreien durch sein Leben. Wer nun das Ziel in diesem Leben nicht erreicht, der kehrt bald wieder in die Welt mit einem neuen Körper zurück . Er hat den Gang noch einmal durchzustehen, bis er auch reif ist für die neue Welt."
"Und ihr, Fra’ Girolamo, ihr glaubt auch diese Sicht der Welt?"
"Freund Valerio, im Auftrag meines Abtes hab ich die Häretiker studiert. Der Sinn ist der, die Erkenntnis zu sehen , welch er Fehler und welch er Sünde Menschen fähig sind."
„Gut, gut mein Bruder, bevor wir jetzt wieder moralisch werden, sagt, was ist mit den Katharern geschehen ?"
„ Gerade zu Beginn des neuen Jahrhunderts, es war im Jahre des Herrn 1209 versammelte sich eine riesige Streitmacht von 130 000 Kreuzrittern, angeführt von Herzögen und Grafen, Sen e schallen und Herren. Simon de Montfort wurde ihr aller Anführer. Simon de Montfort wurde der weltliche Führer. Doch den Kreuzzug führte ein andere an. Arnaud - Amaury, päpstlicher Legat und Abt von Cîteaux. Was in einer langen Zeit des Kreuzzuges im Languedoc geschah, war mehr als nur ein Fehler. Der Abt von Cîteaux war ein grausamer Heerführer. Auch über seine Zeit hinaus war ein Krieg entfacht, der 45 Jahre lang die Menschen in Angst und Not versetzte. Das Kriegsglück wechselte die Seiten, doch als es dann zur Neige ging, da war die Heimat der Katharer verloren. Mehr als eine Million Menschen war im Krieg gefallen, hing e metzelt oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Die Geschichte der armseligen Katharer studiert sich wie ein Heldenepos, die Taten der Söhne der Kirche wie ein Akt des Teufels. Gott möge mir verzeihen. Doch selten wurden soviel Me n schen mit einem Schlag ermordet, verstümmelt und verbrannt. Nicht ergötzen Ich will m ich nicht am Leid der a nder e n ergötzen . Doch meine ich, die Wahrheit muss zu Tage treten. Das So l datenvolk des Papstes und der Fürsten beherbergte nicht nur edle Ritter und geübte Kämpfer. Diebe und Räuber, Mörder, Bettler und Hurenjäger aus Paris, alles hatte sich nach feurigen Predigten der päpstlichen Gesandten zum Kreuzzug mit versammelt. Je primitiver der Geist, desto grausamer die Tat. Doch allen voran schritt Arnaud-Amaury. Er gab Befehle zum Mo r den und zum Plündern, zum Vergewaltigen der Frauen und zum Brandschatzen. Ein schrec k lich es Schicksal widerfährt der Stadt Béziers. Nachdem man sich verweigert e , 222 Häretiker, Bürger dieser Stadt, an Arnaud zu übergeben, lässt er an die Mauern Feuer legen. Jeder Mensch, jede Person aus dieser Stadt wird hingemetzelt. Der Hass des päpstlichen Legaten lässt jeden morden. Ob Priester der römischen Kirche oder Katharer, ob einfache Bürger, Soldaten, Herumtreiber, Frauen, Mädchen, kleine Kinder, alte Männer und Schwerkranke. Alle werden hingemetzelt im Namen Gottes. Niemand überlebt. Bewundernswert ist dennoch die Treue der Katharer zu ihrem Glauben. Von ihren geistlichen Führern werden bis zu viertausend ve r brannt. Doch man kennt nur fünf von ihnen, die ihrem Glauben aus Angst abgeschworen h a ben.
Valerio Chiarenti da San Gimignano, ihr seid ein edler Mann. Ihr hört geduldig meiner Rede zu. Ich vertraue euch und weiß, dass mich eure Zunge niemals verraten wird. Verzeiht, wenn mein Herz zu voll des Leides scheint, als dass ich alles meiner Seele anvertrau en könnte, ohne etwas davon los zu werden. Ich bin ein gläubiger Sohn des Heiligen Dominicus. Doch meine Studien haben mir viel der Treue genommen.
Girolamo ritt wieder eine Weile still. Er schaute auf den Weg vor seinem Pferd. Seine Sinne jedoch hatten sich einer anderen gefährlicheren Welt geöffnet.
"Valerio, so manchmal verfolgt mich Angst. Mein Körper ist in Gefahr. Ich habe Angst, wenn mein Körper zu sehr gequält wird, dass ich mir selbst untreu werde. Ich bete dafür, dass ich meine Seele rein bewahre. Wenn ihr es hört, dass es geschieht, dann betet zu unserem Herrn. Er möge mir Kraft schenken."
Die beiden Männer schauten sich an. Schweigend forschten sie in den Augen des anderen. Langsam senkten sie gegeneinander ihr Haupt, als gewährte einer dem anderen einen Schwur.
Fra’ Girolamo de
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