Galileis Freundin (German Edition)
den hoch g e ehrten Staatssekretär der Toskana in Empfang.
Der Tro ss zog über die mit roten Backsteinen gepflasterte Piazza del Foro bis zum Palazzo dei Nove. Vor der ehrwürdigen, mit zehn Portalen ausgestatteten Backsteinfassade hielt die K a rosse an. Caterina bewunderte die schlichte und leichte Eleganz des Turmes della Mangia. Aus dem Palast ragte schlank dieser ebenfalls aus Backstein gemauerte Turm in den Himmel, der an seiner Spitze aus weißem Travertin einer Lilie ähnelte. Der Gonfaloniere empfing seinen Staatsgast in der Sala di Balia. In seiner prächtigen Kleidung schien er geradewegs aus einer der spätgotischen Fresken des Sienesers Martino di Bartolomeo entstiegen zu sein. Umgeben von mehreren Senatoren hieß er den Staatssekretär der Medici und seine Tochter willkommen.
Der folgende ruhelose Tag erklang in der Stadt von den klirrenden, schwatzenden, singenden und knisternden Vorbereitungen des Rennens auf der Piazza del Foro. An allen Fensterbänken der umliegenden Palazzi lagen rote, samtene Tücher und Kissen aus. In besonderem Glanz präsentierte sich der Palazzo dei Nove. Fahnen aller teilnehmenden Contraden wehten als Symbol für die Einheit der Stadt. Eine leuchtende Fahne auf dem mächtigen Torre del Mangia verkündete stolz „Libertas“.
Siena war im Besitz von erfolgreichen Bankhäusern, der rege Handelsverkehr über die ‘Francigena’ blühte. Allerorts wurde die Stadt mit Hochachtung ‘Tochter der Straße’ genannt.
Die Metropole lag direkt an der Francigena, dem sehr berühmten Handelsweg von den nördl i chen Regionen nach Rom. Die Stadt profitierte als Umschlagplatz für Waren, als Tauschzentr a le, als Einkaufs-und Verkaufszentrum, zum Geldwechsel, über das Kreditwesen von allem was nach Süden und nach Norden transportiert wurde. Caterina stellte sich vor, wie viel e Händler vor einhundert Jahren täglich in Siena Halt machten. Sie aßen ihre Suppe und ihren Fisch und tranken ihren Wein in der Osteria Castanio, sie bezahlten für Übernachtungen in den Locanda di Capone. Reisende aus italienischen Landen, aus Frankreich, Holland, Österreich, Polen und Ungarn hinte r ließen ihre Spuren in dieser schönen Stadt.
Aber nicht nur das. Vom Golf von Follonica bis zur Halbinsel des Monte Argentario reichte sein Herrschaftsgebiet. Die Häfen Castiglion della Pescaia, Talamone, Porto S. Stefano und Port’Ercole waren mit reich beladenen Handelsschiffen überfüllt. Viele stolze Bankhäuser, glanzvolle Handelsfamilien, Goldschmiedemeister, kleinere Geschäfte und günstig gelegene Übernachtungshäuser hatten unermesslichen Reichtum angesammelt. Die hohen Lagertürme in Siena barsten schier von Waren. „Wenn du über die Hügel nach Siena kommst, erkennst du die vielen hohen Türme. Zu Zeiten gab es noch viel mehr dieser protzigen Familiensymbole in der Stadt. Es schien, als reise man vor eine schwarze Wand, derartig viele hohen Türme zeigten überlegen den Reichtum der Sieneser“, hatte ihr der Landgraf aus der Geschichte berichtet. Das glückliche Bild der von Florenz südlich gelegenen Stadt stach wie ein Dorn ins Auge des großen Cosimo I. Er beschäftigte sich in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts damit, sein Imperium zu vergrößern. Wie er seinen Einfluss auf die Francigena, die geschützten Häfen S i enas geltend machen könnte, raubte ihm die Nachtruhe. Der Weg nach Rom musste in der Hand der Familie Medici sein. Was anderes konnte sich Cosimo nicht vorstellen. Die unerme s slich reiche Mitgift Sienas, die sich stolz „Tochter der Straße“ nennen ließ, lockte ihn. Also versicherte er sich der Unterstützung des spanischen Königs Karl V. Die Begründung war schnell herbeigeführt. So mutete Cosimo I. seinen Landsleuten und seinem Freund Karl V. Unglaubliches zu. Er behauptete schlichtweg, die Sieneser bedrohten sein Land, den Woh l stand von Florenz. Er müsse diese Bedrohung beenden, also der Herrschaft der Stadt Siena ein Ende bereiten. In einem grausamen, brutalen Krieg zerstörte er das Territorium der einstmals so prächtigen Metropole. Nach langer, sechzehn M onate andauernder Belagerung ergaben sich die Sieneser. Zum Schluss hatten selbst mutige Frauen und geübte Kinder die Stadtmauern verteidigt. Der Bevölkerung war grausame Schmach angetan worden. Von vierzigtausend Bürgern überlebten schließlich nur sechstausend das Gemetzel. Hunderte, Tausende befanden sich ängstlich auf der Flucht. Grausame Not, tödliche Krankheiten, mörderische
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