Galileis Freundin (German Edition)
die Welt an ihr vorbei. Nicht die augenblickliche Wirklichkeit erlebte sie. Das Gefühl einer träumerischen Empfindung schenkte ihr mehr geborgene Heimat, als die vertraglich gesicherte, rechtmäßige Zugehörigkeit zu dieser düsteren Handelsfamilie. In diesem Rauschen, das ihr alle Begehr der Liebe und Z u neigung zuflüsterte, entschwand sie den Blicken der Buondelmonti und spiegelte ihr Glück in den flackernden Kerzen einer glänzenden Ballnacht.
Salvori, der Held, der ihr auf offener Straße seine höchste Wertschätzung so schlagkräftig g e zeigt hatte. Ein von Herzen guter Edelmann, der sich täglich bei Hofe bewegte, wie der Diener in ihrem Palazzo. Sie fühlte atemschwer den jungen kräftigen Arm, der sich auf den ihrigen legte, den herausfordernden, endlich nicht so schüchternen Blick in seinem hübschen Gesicht, das nicht verrotteten, angeborenen Familienadel zeigte, eher lebendiges kraftvolles Selbstb e wusstsein ausstrahlte. Nicht die erste Nacht, bereits der erste, verführerische Abend ihrer ju n gen Ehe lenkte Caterina in ein verwirrendes Spiel von Leidenschaft und Liebe. Noch während des Tanzes fror sie ihr höfisches Lächeln auf ihrem Gesicht ein. Mit einem Ruck wandte sie sich dem jungen Pagen zu, erregte ihn mit einem offenen herausfordernden Blick.
'Giorgio Salvori', hieß dieser Blick, 'entscheide dich, sag, was dein Begehr ist.'
Der Page führte die junge Gemahlin des letzten Buondelmonti nach einem kurzen Tanz zurück an den Hochzeitstisch zu ihren neuen Schwestern. Huldvoll aber würdelos lächelnd und eife r süchtelnd mit spitzer Zunge kommentierend, bedankten sich die Schwägerinnen für die Ehre, die der Page des Großherzogs dem Hause Buondelmonti angedeihen ließ. Kaum hatte sich der freundliche Kavalier auch nur einen halben Schritt abgewandt, zischten sie der jungen Braut in die Ohren.
"Ihr musstet nicht so übertrieben eure Zuneigung zeigen."
Caterina ergriff ein weißes Spitzentüchlein, tupfte sich ein wenig den glücklich glänzenden Schweiß aus der Stirn und lächelte überlegen die beiden Damen an.
"Die Verbindung wird den Familien dienen und die politischen Bande festigen", bestimmte sie mehrdeutig. Sie schaute der Schwesterneinheit fest in die Augen. Sie wichen ihr aus. Ihr Hass auf die schöne, gesunde Gräfin vom Lande nahm von Stund an zu.
Zu später Stunde entschwebte die Braut der Hochzeitsgesellschaft. Sie begab sich zu Bett, begleitet von zwei Zofen, die sich ab jetzt ihrer annahmen. Beschwingt von den Klängen einer reinen Musik, getragen von den Hoffnungen nach Erfüllungen einer ersehnten Liebe glitt sie über die Flure ihrer neuen Gemächer der Schlafkammer zu. Sie passierten das einsame Gemach ihres Gatten, als sie bemerkte, wie sich ein Riegel der schweren Türe langsam und geheimni s voll bewegte.
"Still", wies sie ihre beiden Kammerzofen an und legte den beiden Damen ihre Hand auf den Arm. Die Gräfin drückte die Mädchen zurück an die Wand. Sie selbst tat nur einen halben Schritt nach vorne. An den langen Flurwänden hingen laut knisternd einige Fackeln und Kie n spane, die ein unruhiges Licht auf den dunklen Flur warfen. Doch was Caterina interessierte, war einzig und allein dieser sich leicht bewegende Riegel an der Türe der Schlafkammer ihres Gemahls.
Der Riegel war geöffnet. Langsam schob sich die Tür nach außen. Ein rotbetresster Ärmel zeigte sich. Ein langer Haarschopf schaute um die Ecke. Caterina erkannte ihn sogleich. Ein Jüngling aus dem Madrigalchor. Die beiden Kammerjungfern warfen ihren Blick zu Boden. Die Gräfin lächelte und hob ihren Blick. Sie wusste von nun an, dass sie mal den einen, mal den a n deren hübschen Knaben in ihrem Palazzo zu Gesicht bekommen würde. Sie gewährte ohne Murren ihrem Gatten diese erwünschte Lust. Indem sie darüber hinwegschaute, gönnte sie sich die Freiheit ihres eigenen Genusses und der eigenen ersehnten Zärtlichkeit.
Der kleine Buondelmonti, gezeugter Spross aus der Vergewaltigung durch den Abt Piero, wu r de der Mutter fortgenommen und in einem Kloster erzogen. Selbst der Gemahl Lorenzo ve r gaß, dass der Kleine ein Bastard war. Er hatte mit dieser Vermählung seine Pflicht getan. Doch wer wusste schon, wie lange ein kleines Menschenleben halten würde? So forderten seine Schwestern den Markgrafen immer häufiger auf, seine Gattin an ihren Ehevertrag zu erinnern.
Lorenzo war keineswegs von seiner Gemahlin angetan. Noch weniger hegte er den Wunsch, mit der einstmals
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