Gallagher-Chroniken 02 - Gallaghers Krieg
sieht durch mich hindurch. Woran denkt er?
Nach einigen Sekunden schien Boros aus einem Tagtraum zu erwachen. »Ganz erstaunlich«, murmelte er.
Tonya legte den Kopf schief. »Sir?«
»Sie erstaunen mich immer wieder, Delanne.« Boros wandte sich ab und ging ans andere Ende der Kommandobrücke, wo ein Getränkeautomat in der Wand eingelassen war. Er drückte auf einen Knopf und eine Tasse mit dampfendem Koffeinkonzentrat erschien im Ausgabefach. Er betätigte die Taste erneut und eine zweite Tasse erschien. Er nahm beide Tassen und kam langsam zurück zu Tonya.
Tonya nahm die Tasse, die er ihr reichte. »Danke, Sir.«
»Danke, Delanne.«
»Wofür, Sir?«
Boros blies Luft auf die dampfende Tasse. »Wofür?« Er nahm einen vorsichtigen Schluck. »Dafür, dass Sie die Flotte gerettet haben. Mein Stellvertreter, Admiral Varlik, hätte die Schlacht nicht gewinnen können, wenn Sie ihm nicht die irdischen Schiffe vom Hals geschafft hätte. So konnten unsere Leute sich auf den Angriff der Drobarianer konzentrieren. Ohne Ihre geistesgegenwärtige Tat wären wir jetzt nicht hier.«
Ich schon, sagte eine leise Stimme in Tonya. Ihre Gedanken irrten für einen Sekundenbruchteil zu Captain Curt Porter, der einige Decks unter ihr in einer Zelle saß und von Agenten des kerianischen Geheimdienstes verhört wurde. Ihre Entscheidung hatte den Kerianern zum Sieg verholfen, ihrem Freund Curt aber seine Laufbahn gekostet.
»Leider hat Admiral Varlik die Schlacht nicht überlebt«, sagte Boros mit echtem Bedauern in der Stimme, »sodass ich gezwungen bin, mir einen neuen Stellvertreter zu suchen. Zu meinem Bedauern hat die Offizierin, die diese Position am meisten verdient hätte, ihren Dienst in der Flotte unmittelbar vor Beginn der Auseinandersetzung quittiert.«
Tonya nippte an ihrer Tasse. »Ich verstehe, Sir.«
»Andererseits«, Boros verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß, »wäre es möglich, dass dieses Schreiben auf dem Dienstweg verlorengegangen ist. Ich würde es auf meine Verantwortung nehmen, ihre Zeit bei der Legion Pegasus im Nachhinein als legalen Undercover-Einsatz hinter den feindlichen Linien zu erklären. Was halten Sie davon?«
Tonya nickte. »Einverstanden, Sir.«
»Willkommen an Bord, Admiral Delanne!« Boros prostete ihr mit seiner Tasse zu.
*
Die Art, in der Kerachera Faulckner dem Kommandanten der drobarianischen Flotte vorführte, ließ den Kriegsberichterstatter daran zweifeln, dass er Gast der Drobarianer war. Vielleicht wäre ›Gefangener‹ doch der richtigere Begriff gewesen? Faulckner weigerte sich, sich an diesen Begriff zu gewöhnen. Gefangen genommen wurden SNA-Reporter höchstens mal von irgendwelchen Guerilla, nicht aber von Streitkräften, mit deren Regierungen die SNA ein Partnerschaftsabkommen geschlossen hatte. Ihm konnte also gar nichts passieren.
Trotzdem …
Der Drobarianer neben ihm war seltsam angespannt. Kerachera hatte auf dem ganzen Weg von der Krankenstation bis zur Brücke kein einziges freundliches Wort mit ihm gesprochen. War es etwa eine persönliche Sache zwischen ihnen beiden? Faulckner konnte sich nicht daran erinnern, dem Drobarianer in letzter Zeit in die Suppe gespuckt zu haben.
Die Tür zur Kommandobrücke glitt auf und Kerachera nahm Haltung an. »Der Reporter, mein Kommandant!«
Kommandant Kuradora drehte sich in seinem Kommandosessel herum und musterte Faulckner eingehend. »Kommandant Kuradora, Dritte Flotte, Sondereinsatzleitung«, leierte er seine Vorstellung herunter. »Sie sind also Nigel Faulckner?«
Faulckner trat vor. »Richtig, Sir. Nigel Faulckner von der SNA. Ich danke Ihnen und Ihrer Regierung im Namen der SNA für meine Rettung.«
Kuradora zuckte gleichgültig mit den Achseln. »Gern geschehen«, sagte er, ohne dabei ehrlich zu klingen. »Wir sahen Sie im All treiben, während wir uns zurückziehen mussten, und Ihr Schiff war als Nonkombattant ausgewiesen. Wir entdeckten ein Lebenszeichen und beschlossen, Sie an Bord zu holen.«
»Sie mussten sich zurückziehen, sagten Sie?« Faulkner stutzte. »Bevor ich das Bewusstsein verlor, sah es doch ganz gut aus für die vereinten irdischen und drobarianischen Streitkräfte.«
Kuradoras Stachelkamm legte sich an. »Sie haben das Beste verpasst«, sagte er zynisch, »die Kerianer haben offenbar herausgefunden, wie man die Geschütze der alten Raumstation auf seine Gegner herumschwenkt.«
Faulckner nickte stumm.
»Ihre Anwesenheit an Bord bringt ein kleines Problem mit sich«, fuhr
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