Gallagher-Chroniken 02 - Gallaghers Krieg
eingeschaltet, um ein Angebot zu unterbreiten. Leider waren wir zu spät, jemand anderes hatte bereits den Zuschlag erhalten.«
»Das tut mir leid, Ray«, sagte Tonya sanft und legte ihm die Hand auf den Arm. »Ich bin sicher, dass es eine vernünftige Erklärung gibt. Du solltest das nicht persönlich nehmen …«
»Es geht weiter«, sagte Cartier bitter. »Nicht nur, dass jemand in der Lage war, unmittelbar nach Bekanntwerden der Information ein Angebot einzureichen – es handelte sich auch um ein Angebot, das den Marktwert der Aktien um das Fünffache überstieg. Es ist komplett irre, so einen hohen Preis zu bezahlen. Das offizielle Mindestgebot und der erwartete Verkaufspreis sind weitaus niedriger gewesen.«
»Wer am meisten bietet, bekommt den Zuschlag«, sagte Gonzales geduldig. »Worauf willst du eigentlich hinaus, Ray?«
»Ganz einfach. Wie kommt es, dass bei etlichen Tausend Kaufanträgen ausgerechnet diejenigen für Terrkel Motors, Torrgat Heavy Industries und Henson & Harkwand zuerst bearbeitet und in wenigen Stunden abgewickelt wurden?«
Xavier Gonzales und Tonya Delanne wechselten einen verblüfften Blick.
»Mein Anwalt hat das mal recherchiert. Innerhalb der ersten vierundzwanzig Stunden nach Bekanntwerden der Verkaufsabsichten wurden fast einhundert Geschäfte unter Dach und Fach gebracht. Bei allen Deals handelte es sich um staatliche Aktienpakete an Rüstungsunternehmen, Krankenhäusern, Bildungsstätten, Banken, Verkehrsbetrieben und so weiter.«
»Ich weiß nicht warum, aber jemand hat offenbar Prioritäten gesetzt«, sagte Tonya mit gespielter Gleichgültigkeit. In ihrer Magengrube aber formte sich ein Eisklumpen. Cartier war offenbar einer Sache auf der Spur und sie hatte kein gutes Gefühl dabei.
»Nicht nur in euren Ministerien, Kindchen«, sagte Cartier mit einem schiefen Lächeln, »auch bei euren Kunden. Fast alle Unternehmen, die sich bei eurem Ausverkauf bedient haben, sind nämlich offenbar miteinander verwandt.«
»Rüstungsunternehmen, Krankenhäuser, Banken, Öffentlicher Verkehr …« Gonzales wurde bleich. »Da plant jemand, die gesamte Wirtschaft umzukrempeln!«
»Oder lahmzulegen«, ergänzte Cartier düster.
»Nicht so schnell«, wandte Tonya ein, »ich bin kein Fan von Verschwörungstheorien, meine Herren.«
»Ach ja«, Cartier sog an seiner Zigarre und blies einen Rauchkringel, »das letzte Mal, als du eine Verschwörung hast auffliegen lassen, haben sie dich dafür zum Dank degradiert und in die Wüste geschickt. Jetzt erinnere ich mich wieder.«
Tonya schwieg trotzig und trank einen großen Schluck aus ihrem Weinglas.
»Du sagtest, die Firmen sind miteinander verwandt?«, hakte Gonzales nach.
»Nicht alle. Einige. Es sieht so aus, als wäre ein Laden namens Stainless ein zentraler Knotenpunkt in ihrem Netzwerk.« Cartier wartete einen Moment, ehe er fortfuhr.
»Stainless?« Tonya dachte angestrengt nach. »Woran erinnert mich der Name?«
»Stainless gehört, soviel wir wissen, zwei Typen namens Steinberg und Ishiyama. Du hast den Namen vermutlich mal auf den Rationsdosen bei den Marines gelesen. Stainless stellt das Fertigfutter für eure Soldaten her«, sagte Cartier nachdenklich.
»Vor ein paar Jahren gab es doch mal einen Lebensmittelhersteller, der Rationen an die Raumflotte geliefert hatte, welchem man dann vorgeworfen hatte, hohe Dosen eines illegalen Aufputschmittel ins Essen gerührt zu haben«, sagte Gonzales stirnrunzelnd. »Sag bloß, das waren die gleichen?«
Cartier nickte. »Damals hießen sie noch Steinberg & Ishiyama Food Corporation. Nach dem Skandal haben sie sich in Stainless umbenannt. Natürlich konnte man ihnen seinerzeit nichts beweisen.«
»Und ein Hersteller von Lebensmittel-Rationspäckchen benutzt jetzt seine Tochterfirmen, um sich in Schlüsselpositionen in der gesamten kerianischen Wirtschaft zu manövrieren?« Tonya schüttelte den Kopf. »Das ist absurd, Ray.«
»Ja, Kindchen«, stimmte Cartier ihr zu, »aber wenn es nicht die Idee von Steinberg und Ishiyama ist, von wem ist sie dann?«
»Du meinst, auch die Stainless-Leute werden nur benutzt?«, fragte Gonzales verblüfft.
»Du siehst Gespenster, Ray«, sagte Tonya schroff.
»Entschuldigt bitte«, sagte Cartier und hob die Hände, »ich dachte nur, ich sollte euch darauf aufmerksam machen, dass es einen bisher unbekannten Mitspieler bei euren Politikspielchen gibt. Glaubt es oder nicht, aber sagt hinterher nicht, der alte Raymon hätte euch nicht gewarnt.«
Der Kellner
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