Gallagher-Chroniken 02 - Gallaghers Krieg
über die grandiosen Wasserfälle von Larada spannten, noch majestätischer als am Tage. Das ohrenbetäubende Donnern der Wassermassen und die bunt schillernden Lichtspiele in den haushohen Gischtfontänen hatten wie üblich ganze Schwärme von Luftschiffen, Hoverplattformen und Flugzeugen angelockt, von denen aus Touristen von allen bekannten Planeten ein Naturschauspiel bestaunen konnten, das in der Galaxis seinesgleichen suchte.
Mitten im größten Ozean von Tarsia lag eine ringförmige Felsformation von zehn Kilometern Durchmesser. Die höchsten dieser Klippen ragten nur wenige Zentimeter über dem Meeresspiegel auf; der größte Teil des Atolls jedoch war fast ständig von Wasser überspült, das von allen Seiten in das zentrale Becken strömte. Wie tief dieses Becken eigentlich war, wusste niemand genau. Das Wasser schien einfach in einem gewaltigen Loch im Meer zu verschwinden. Geologen debattierten seit Jahren erfolglos darüber, ob das Phänomen durch seismische Aktivität, durch einen Meteoriteneinschlag oder gar von den einstigen Bewohnern des Planeten verursacht worden war.
Nasho Wang war es völlig gleichgültig, wie die Larada-Fälle entstanden waren oder wo das Wasser blieb. Für ihn zählte nur, dass in der Hauptsaison Tag für Tag eineinhalb Millionen Besucher hierher geflogen werden, belustigt und beköstigt werden wollten. In seiner Eigenschaft als Tourismusdirektor von Tara war er für die Organisation der Rundflüge zuständig und er war stolz darauf, diese Arbeit seit fast zwei Jahrzehnten zur Zufriedenheit des Stadtrates ausgeführt zu haben.
Eine andere Veranstaltung, die in seinen Verantwortungsbereich fiel, war die tägliche Seeschlacht mit den Galeeren von Berila und genau hier hatte der Stadtrat etwas auszusetzen. Die Abläufe der jüngsten Schlachten hatten unter den Stadträten heftige Diskussionen ausgelöst, infolge derer sich der Stadtrat in zwei Lager gespalten hatte, Befürworter und Gegner.
Der Grund des Streits hieß Clou Gallagher und saß gegenüber von Nasho Wang in der luxuriös ausgestatteten Gondel des Dienst-Luftschiffs des Tourismusdirektors, welches zwischen den unzähligen anderen Flugzeugen langsam durch die gewaltigen Regenbogen über den Wasserfällen glitt.
»Sieh es mal so, Clou«, sagte Wang ruhig, »sie haben mir nicht gesagt, ich soll dich rausschmeißen. Das heißt, du bist auf dem richtigen Weg.«
»Möglich«, entgegnete Clou mit finsterem Blick. »Aber nur, solange ich jeden Tag die gleiche Routine abspule, ohne jeglichen kreativen Freiraum.«
Wang faltete die Wände vor der Brust und inhalierte die Dämpfe der Triisiia-Kristalle, die er in einer kleinen Phiole an einer Kette um den Hals trug. »Du hast eines der Grundprinzipien des Showbusiness noch immer nicht verstanden, mein Freund. Für dich und deine Spielzeugsoldaten mag es eine eintönige Routine sein, die sich jeden Tag wiederholt. Aber die Touristen? Sie sehen die Vorführung wahrscheinlich nur ein einziges Mal, und da muss jeder Handgriff sitzen. Die Leute wollen eine perfekt organisierte Show, keine waghalsigen Improvisationen, mein Freund. Nervenkitzel, ja klar, gerne – aber insgeheim müssen sie sich darauf verlassen können, dass ihnen bei der Schlacht um die Hafenfestung auf ihren trockenen Tribünenplätzen nichts passieren kann.«
»Ich denke trotzdem, dass der Show, wie du sie nennst, etwas Abwechslung guttäte. Das käme auch den Touristen zugute, von denen viele sicher mehrmals kommen und nicht immer das Gleiche sehen wollen«, verteidigte sich Clou.
Wang schüttelte den Kopf. »Du bist falsch informiert. Weißt du, was es zum Beispiel eine vierköpfige drobarianische Familie kostet, Urlaub auf Tarsia zu machen? Denk mal an die Kosten für die Flugreise, die Verpflegung, das Hotel, Taschengeld für die Souvenirs … Die aktuelle Statistik besagt, dass über sechzig Prozent der Pauschaltouristen nur für maximal vier Tage herkommen, An- und Abreisetage mitgerechnet. Ein Tag in Tara, ein Tag in Berila, ein Rundflug über die Wasserfälle und fort sind sie wieder.« Er tippte Clou mit dem Zeigefinger vor die Brust. »Dein Problem ist, dass du die Konfrontation mit Berila viel zu ernst nimmst.«
Clou wich dem Blick seines Vorgesetzten aus und sah aus dem Fenster. Die dicken Transpalu-Scheiben der Passagiergondel dämpften das Tosen der Wasserfälle und das Brummen der Luftschiffsmotoren auf ein erträgliches Minimum, sodass das Gewimmel der langsam dahindriftenden Flugzeuge und
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