Gallagher-Chroniken 02 - Gallaghers Krieg
erschien Clou Gallagher wieder im Bild, der auf O’Reilly feuerte. Dann rollte die Kamera zurück und zeigte für eine halbe Minute nur den wolkenverhangenen Himmel.
»Dies ist die letzte Aufnahme unseres Mitarbeiters«, sagte Katachara mit Grabesstimme. Das Publikum war totenstill, als hätte jemand eine Schweigeminute für den im Einsatz gefallenen Kriegsberichterstatter angeordnet, an dessen Namen sich morgen vielleicht schon niemand mehr erinnern würde. »Die offizielle Version vom Ablauf der Ereignisse an diesem Tag habe ich anders in Erinnerung, Madame Premierminister. Können Sie uns erläutern, warum die Anwesenheit von Clou Gallagher in Ihrem Bericht seinerzeit vollständig verschwiegen worden ist?«
Aus den Augenwinkeln bemerkte Tonya, dass Gonzales sie mit offenem Mund anstarrte. Er war offenbar von den Beweisen, die Katachara mit Leichtigkeit aus dem Ärmel zu schütteln schien, völlig überrollt worden. Tonya konnte kaum noch bestreiten, dass es ihr viel anders ging.
»General Gallagher …«, sie räusperte sich, »wenn man diesen Dienstrang benutzen will …
Mister
Gallagher hat im Verlauf seiner Mission die Seiten gewechselt. Er hat sich von der truskonischen Rebellion distanziert und sich auf unsere Seite geschlagen. Ohne seine Hilfe hätte unsere Flotte sich Trusko VII seinerzeit gar nicht nähern können. Dass wir ihn aus den offiziellen Protokollen gestrichen haben, war die einzige Gegenleistung, die er für seine Hilfe verlangt hat.«
»Ist das so?«, schnurrte Katachara zufrieden. »Jetzt wird mir natürlich einiges klar. Sagen Sie, hat er Ihres Wissens nach die Seiten gewechselt,
bevor
oder
nachdem
er seine Serie von Terroranschlägen auf Kerian verübt hatte?«
»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Tonya zähneknirschend.
»Nun, wir haben bereits festgestellt, dass ein Parteigenosse von Mister Gonzales die Tatwaffe für den Anschlag auf den König besorgt hat. Wir haben ebenfalls Grund zu der Annahme, dass Clou Gallagher derjenige war, welcher seinerzeit den Abzug betätigt hat. Und die beiden Kerianer, die von diesem tragischen Ereignis am meisten profitieren könnten, sitzen heute Abend hier vor uns und kandidieren für die Wahl zum nächsten Premierminister«, sagte Katachara nachdenklich. »Mein Reporterinstinkt sagt mir, dass da etwas im Busch ist …«
»Hören Sie mal«, ereiferte sich Gonzales erbost, »dies sollte eine Wahlveranstaltung sein, kein Detektivspielchen! Wir sind hier nicht vor Gericht! Wie können Sie es wagen, solche Behauptungen hier in den Raum zu stellen? Ist Ihnen eigentlich klar …« Gonzales rang nach Luft. Ihm fehlten die Worte.
»Direktor Katachara weiß genau, was er tut«, sagte Tonya sarkastisch. »Er ist doch voll in seinem Element – dem Showbusiness. Einen nach dem anderen schickt er nach Hause, wie Verlierer in einer seiner abendlichen Gameshows.«
Zustimmendes Gemurmel und sporadischer Applaus antworteten ihr. Das Publikum schien nach den vielen Enthüllungen und Theorien nun völlig verunsichert zu sein, welchem Politiker man überhaupt noch vertrauen konnte.
Das
musste Katacharas wahres Motiv sein, erkannte Tonya.
Das
war es, was er hatte erreichen wollen … Aber warum?
»Madame Premierminister, Sie belieben zu übertreiben«, säuselte Katachara. »Ich habe mir lediglich die Freiheit genommen, Ihnen allen einen Spiegel vorzuhalten. Ihr eigenes Verhalten hat Sie als die zwielichtigen Gestalten entlarvt, die Sie sind. Sie haben vollkommen recht, was den Anlass der heutigen Veranstaltung betrifft – Sie sind hier, um sich der Öffentlichkeit vorzustellen. Wir von der SNA denken, dass das Volk von Kerian ein Recht darauf hat, die kandidierenden Politiker genauer zu kennen.«
»Das gibt Ihnen nicht das Recht …«, brauste Gonzales auf.
»Sie sind eine Person des öffentlichen Interesses, Mister Gonzales«, erinnerte ihn der Drobarianer gelassen. »Wenn Sie nicht damit leben können, dass man sich für Sie interessiert, sollten Sie das Rampenlicht schleunigst wieder verlassen.«
Tonya hörte nicht zu. Ein Fragment aus ihrem letzten Gespräch mit Raymon Cartier irrte ziellos in ihrem Hinterkopf herum. »Ein Putschversuch, orchestriert durch Wirtschaftsbosse«, hatte Cartier gesagt. Ishiyama und Steinberg waren vielleicht gar nicht die wahren Drahtzieher gewesen. Katachara schien das gleiche Ziel zu verfolgen, nämlich die kerianische Gesellschaft zu destabilisieren … Aber wieso?
Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Sie fuhr sich
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