Gallagher-Chroniken 02 - Gallaghers Krieg
erklärt und Debi Gallagher gehörte nicht zu einer kerianischen Behörde, sondern zu einer truskonischen. Dieses Manko war ja der Grund gewesen, weshalb sein Chefredakteur ihn zu Gouverneur O’Reilly geschickt hatte; er hätte eben jenen Vertrag arrangieren sollen.
»Ich habe keinen Grund, Sie zu mögen, Faulckner, und ich sehe keine Veranlassung, Sie in den Palast zu lassen«, Debi stellte den Wählhebel ihrer Waffe auf maximale Feuerkraft und achtete darauf, dass der Reporter sehen konnte, was sie tat.
»Sie haben auch keine Veranlassung, mich einfach abzuknallen«, stieß er hervor.
Debi lächelte süßlich. »Mir fällt schon was ein. Nachher.«
Die Tür hinter ihr öffnete sich und Clou kam heraus, gefolgt von Jack Dietrich, dem truskonischen Geheimdienstleiter. Dietrich blieb wie angewurzelt stehen, während Clou seine Frau in den Arm nahm und küsste, als wäre Faulckner gar nicht da. Debi steckte die Waffe wieder weg.
»Gallagher«, seufzte Faulckner atemlos, »ich muss schon sagen …«
»Legen Sie sich besser nicht mit ihr an, Faulckner«, warnte Clou, »nicht einmal ich traue mich das.«
*
Hubschrauber kreisten sirrend am Abendhimmel. Der Gouverneurspalast von Trusko VII wurde von Scheinwerfern angestrahlt, die in den truskonischen Nationalfarben Blau und Rot getönt waren. Lautsprecher, die auf dem Platz vor dem Palast installiert worden waren, berieselten die über hunderttausend Menschen, die sich versammelt hatten, mit klassischer Musik aus der Feder von einheimischen Komponisten.
Vor dem Palast hatte man eine riesige Bühne errichtet. Auf den Dächern der Gebäude, die den Platz säumten, flatterten Dutzende der neuen blau-roten truskonischen Nationalflaggen.
Nigel Faulckner saß in der Presseloge und sprach leise in sein Aufnahmegerät. Um ihn herum saßen andere Reporter, einige von lokalen Rundfunkstationen, andere von konkurrierenden Presseagenturen. Er hatte schon eine Handvoll Leute getroffen, die er von früher kannte. Er vermisste April Giohana; die Freundschaft zu seiner Kollegin hatte sich zu so etwas wie Zuneigung vertieft, vor allem seit der letzten Nacht. Schade, dass April heute Morgen bereits hatte abfliegen müssen. Er hoffte, sie bald wiederzusehen, war aber im Moment bemüht, nicht zu viel von ihr zu träumen. Er hatte genug zu tun.
*
Debi Gallagher sah Faulckner durch ein Zielfernrohr. Sie befand sich fast fünfhundert Meter von ihm entfernt auf dem Dach eines der umliegenden Regierungsgebäude, aber durch das Objektiv ihres Hochleistungsblasters erschien er ihr zum Greifen nahe.
Sie unterdrückte ein Seufzen. Wie einfach könnte es doch sein, diesen lästigen Schmierfink, der sie und ihre Familie damals gezwungen hatte, eine neue Identität anzunehmen, aus der Welt zu schaffen. Sie hatte sich mit Clou über dieses Thema heute Nachmittag lautstark gestritten. Clou hatte ihr eingeschärft, ihre persönlichen Rachegelüste für eine Weile zurückzustellen. Ein Mord an einem SNA-Reporter aus persönlichen Motiven war das Letzte, was sich die junge selbständige Republik Trusko jetzt leisten konnte. So ein Fall würde weite Kreise ziehen und konnte O’Reilly schaden, hatte Clou gesagt. Sie hatte ihm widerstrebend zustimmen müssen.
Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Masse der Zuschauer, die zu diesem historischen Ereignis erschienen waren. Jeder dort unten erweckte den Anschein, uneingeschränkt auf O’Reillys Seite zu sein. Jeder konnte aber auch ein potenzieller Attentäter sein, der es auf O’Reilly abgesehen hatte. Jack Dietrich und seine Leute hatten den ganzen Nachmittag damit zugebracht, das Regierungsviertel nach weiteren Bomben abzusuchen. Auf allen Zufahrtsstraßen waren Straßensperren und Personenkontrollen eingerichtet worden, um eventuelle Selbstmordattentäter frühzeitig unschädlich zu machen, auch wenn Dietrich nicht glaubte, dass jemand wie Sethos zu solch einer Methode greifen würde.
Irgendwo dort unten bereiteten sich Clou und O’Reilly gerade auf ihren Auftritt vor.
*
»Alles klar bei dir?«, fragte Evan O’Reilly. Er rückte vor dem Spiegel seine rot und blau gestreifte Krawatte zurecht und fegte sich mit dem Handrücken ein paar Schuppen von der Schulter seines dunkelblauen Jacketts.
»Ich bin völlig fertig«, scherzte Clou. Er stand neben O’Reilly und überprüfte flüchtig den Sitz seiner tarngemusterten Uniform.
»Was meinst du?«, hörte Clou eine Stimme in seinem Ohr sagen. Er zuckte unwillkürlich zusammen; es gab
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