Gallagher-Chroniken 02 - Gallaghers Krieg
einige Sachen, an die er sich in all den Jahren in Jack Dietrichs Geheimdienst nicht hatte gewöhnen können. Er drückte seinen rechten Zeigefinger hinter sein rechtes Ohr und fummelte an dem kleinen Funkgerät herum, das dort klemmte.
»Ich habe nicht mit dir gesprochen, Jack. Entschuldigung, das Ding stand wohl noch auf ›Senden‹.« Clou betätigte einen winzigen Druckknopf, der den Sprechkanal zu Jack Dietrich unterbrach. Dietrich saß derzeit in einem isolierten Bunker auf der anderen Seite des Kontinents und beobachtete die Ereignisse in Amyam aus sicherer Entfernung. Für den Fall, dass O’Reilly trotz der strengen Sicherheitsvorkehrungen einem Attentat zum Opfer fallen sollte, würde Dietrich die Koordination der truskonischen Unabhängigkeitsbewegung übernehmen müssen, hatte der Gouverneur am Nachmittag entschieden.
O’Reilly sah auf seine Uhr. »Showtime, alter Freund.«
Clou nickte. »Bringen wir’s hinter uns.«
O’Reilly und Clou gingen mit großen Schritten durch den Gouverneurspalast, eskortiert von vier Leibwächtern. Die kleine Gruppe verließ den Flügel, in dem der Gouverneur residierte, passierte den Bürotrakt und näherte sich schließlich dem marmornen Hauptportal.
Helikoptermotoren, laute Musik und ein Gewirr von etlichen Tausend Stimmen schlugen ihnen entgegen, als sie das Portal durchschritten. Clou glaubte, ein trauriges Adagio aus der Kakofonie von Lauten herauszuhören, welches von einem truskonischen Komponisten komponiert und von O’Reilly zur provisorischen planetaren Hymne bestimmt worden war.
Scheinwerferlicht blendete Clou und er hielt sich dicht an seine Begleiter, um nicht zu stolpern. Applaus brandete auf, so spontan und von Herzen kommend, dass Clou sich zusammenreißen musste, um nicht von einer Woge der Emotionen hinweggespült zu werden. Einen kurzen Moment lang hatte er das wundervolle Gefühl, jeden einzelnen dieser jubelnden Menschen persönlich zu kennen, nur um im nächsten Augenblick einen klaustrophobischen Anfall nahe zu sein, als sich die Menschenmassen um ihn herum schlossen.
»Wink schon, Mann«, soufflierte Jack Dietrichs Stimme hilfreich. Clou winkte höflich in die Menge.
O’Reilly genoss das Bad in der Menge sichtlich. Auf dem kurzen Weg vom Palast zur Rednerbühne winkte er den Menschen zuversichtlich zu, küsste Frauen und Kinder auf die Wangen und schüttelte etliche Dutzend Hände. »Vorwärts!«, rief er euphorisch. »Für Trusko!«
Clou lächelte und folgte O’Reillys Beispiel. Es dauerte in diesem Tempo einige Minuten, bis sie die wenigen Meter bis zur Bühne zurückgelegt hatten. Unter rhythmischem Klatschen stiegen Clou und O’Reilly die Treppe zur Bühne hinauf. Selbstsicher betrat O’Reilly die Bühne und ging zum Rednerpult. Clou hielt einen Moment lang den Atem an, als ob er unbewusst erwartet hatte, dass eine weitere, unentdeckt gebliebene Tretmine beim Betreten der Bühne detonieren würde. Doch nichts dergleichen geschah. Clou postierte sich hinter O’Reillys rechter Schulter, während die Leibwächter dezent im Hintergrund blieben.
»Für Trusko!«, rief O’Reilly und reckte beide Fäuste in den Nachthimmel. Ohrenbetäubender Jubel erklang und O’Reilly musste minutenlang warten, ehe er weitersprechen konnte. Als er sich wieder über das Mikrofon am Rednerpult beugte, war sein Tonfall etwas ruhiger.
»Ich begrüße euch alle in dieser historischen Stunde in Amyam. Heute ist der Tag, an dem unser geliebter Planet endlich die Fesseln des Königreichs Kerian abwirft«, sagte O’Reilly. Applaus wurde laut und der Gouverneur musste erneut eine Pause machen.
»Lange, viel zu lange haben wir zugesehen, wie sich das korrupte kerianische Königshaus auf Kosten ehrlicher und aufrechter Bürger des Systems Trusko bereichert. Wir haben es erduldet, dass wir die höchsten Steuern in Kerian zahlen. Wir mussten akzeptieren, dass andere Planeten ein Vielfaches von dem aus dem königlichen Etat zugeteilt bekamen, was man uns zugestand. Ich frage euch: Finden wir das gerecht?« O’Reilly reckte wieder die Fäuste in die Höhe. Die hunderttausend Menschen auf dem Platz antworteten mit einem klaren »Nein«.
*
»Achtet auf die Dächer«, schärfte Jack Dietrichs Stimme Debi Gallagher ein.
Sie spähte angestrengt durch ihr Zielfernrohr und suchte ein weiteres Mal die Dächer der umliegenden Gebäude ab. Außer den anderen fünf Scharfschützen ihres Kommandos sah sie niemanden. Sie tippte auf die Sprechtaste des kleinen
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