Gallaghers Tod
verlief nach Plan. Ungefähr jetzt sollten auch alle wichtigen Nachrichtenredaktionen des Planeten sein Kommuniqué erhalten haben, in dem er die volle Verantwortung für das Attentat auf Nnallne übernahm und die Wiederherstellung der Monarchie als einzig wahren Weg für Kerian propagierte.
Das möblierte Apartment, das er schon vor Monaten unter einem falschen Namen für einzig und allein den Zweck gemietet hatte, ihm in dieser Nacht Unterschlupf zu bieten, war sicher. Er hatte sich mehrfach davon überzeugt, dass er nicht beobachtet wurde und das Zimmer auch nicht verwanzt worden war. Er ließ die Tür hinter sich ins Schloss gleiten, nahm sich eine Dose Bier aus dem Kühlschrank und löschte seinen Durst. Allmählich sank sein Adrenalinspiegel wieder.
Mit einem zufriedenen Seufzen nahm er in dem fleckigen alten Sessel Platz. Die Kommunikationskonsole in der Wand vor ihm erwachte zum Leben und warf die Schlagzeilen des Abends auf den Primärbildschirm. Nnallne war tot. Die Polizei hatte den Attentäter anhand der Bilder der Überwachungskameras als Gufod Neem einwandfrei identifiziert. Gut so. Die ganze Welt sollte wissen, wem sie ihre Freiheit von dem krötengesichtigen Usurpator verdankte. Sein Kommuniqué war offenbar doch noch nicht eingegangen; zumindest wurde es noch nicht in den Abendnachrichten ausgestrahlt. Das war bedauerlich, aber nicht weiter tragisch.
Eine Reporterin sprach gerade mit dem ermittelnden Inspector, der nur das in die Kameras sagte, was ohnehin schon jeder wusste. Neem leerte die Bierdose in einem Zug und wollte gerade nach einer zweiten greifen, als das Interview eine unerwartete Wendung nahm.
»Uns liegen darüber hinaus die Berichte von zwei Augenzeuginnen vor, anhand derer wir den Tathergang vollständig rekonstruieren konnten«, sagte der Polizist. »Um ein Haar hätte das mutige Einschreiten von Miss Gallagher das Schlimmste verhindert. Leider ist Neem ihr zuvorgekommen.«
Gallagher!
Den Rest der Nachrichten hörte Gufod Neem gar nicht mehr. War die hübsche blonde Frau, die mit der Waffe in der Hand auf ihn zugestürzt war, etwa am Ende mit dem Gallagher verwandt, der mit der Ermordung von König Vandrow an allem Elend schuld war? Konnte es sein, dass er nur haarscharf daran vorbeigeschrammt war, die Tochter des Mannes zu beseitigen, dessen terroristischen Machenschaften Kerian in die tiefste Krise seit der Besiedelung des Planeten gestürzt hatten? Und er hatte ausgerechnet in dem Moment nur eine leer gefeuerte Waffe in der Hand gehabt?
Eine kurze Recherche der öffentlich zugänglichen Datenbanken ergab, dass seine Vermutung richtig war. Clou Gallagher hatte tatsächlich eine Tochter, die heute in dem gleichen Alter wie die Frau sein musste, die in der Brasserie Le Roi hinter ihm hergestürmt war.
Und er hatte sie am Leben gelassen!
Das euphorische Glücksgefühl, mit dem ihn Nnallnes Tod vorübergehend erfüllt hatte, war verflogen. Der Augenblick seines größten Triumphs wurde zu seiner größten Niederlage. Er hatte die Tochter des Mörders von König Vandrow zum Greifen nahe gehabt – und sie verschont!
Grimmig öffnete er das zweite Bier.
Das verlangte nach einer Änderung seiner Pläne.
*
»Mit Verlaub, das ist doch alles Scheiße!«
»Ja, Sir.«
Hector Spencer stand inmitten des kleinen Apartments, das Gufod Neem bewohnte, und massierte sich nachdenklich das Kinn. Irgendetwas stimmte nicht mit der Wohnung, und er wurde das Gefühl nicht los, dass er ein wichtiges Detail übersah. Die Kollegen von der Spurensicherung wuselten um ihn herum und untersuchten die wenigen persönlichen Gegenstände, die der Attentäter hier zurückgelassen hatte.
Die wenigen persönlichen Gegenstände …
Dann fiel der Groschen, und Spencer wusste, warum ihm das Apartment so merkwürdig vorgekommen war. In den meisten Detektivfilmen, die er kannte, waren die Wohnungen von psychopathischen Attentätern mit Hunderten von Fotos und Presseclips des potenziellen Angriffsziels tapeziert. Es war ein gängiges Klischee, dass diese Killer vor den Bildern ihres zukünftigen Opfers und des späteren Tatorts geradezu meditierten und ihre Taten Hunderte Male im Geiste durchspielten, ehe sich ihre Anspannung dann in der eigentlichen Tat entlud. Er hatte unzählige Krimis gelesen und gesehen, die genau nach diesem Schema abliefen.
Gufod Neems Wohnung war genau genommen leer.
Zwar fanden sich in den Schränken zwei oder drei Sätze frischer Wäsche, und im Kühlschrank standen ein paar
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