Gallaghers Tod
gesagt, nicht ich.«
»Und wenn es einen gäbe?«
»Dann wüsste ich nicht, was mich das anginge.«
»Okay.« Spencer zwang sich zur Ruhe. »Nehmen wir nur für den Moment mal an, dass irgendwo in dieser Stadt eine Bombe tickt. Unterstellen wir weiter, dass Sie die Mittel hätten, diesen Sprengkörper aufzufinden und unschädlich zu machen. Würden Sie es tun?«
Algernon seufzte theatralisch. »Ach, lieber Inspector, hätten Sie mich das doch gefragt, bevor Sie mich auf diese unzivilisierte Art verhaftet haben.«
»Nehmen wir an, ich hätte Sie nicht verhaftet. Hätten Sie uns dann geholfen?«
»Das spielt jetzt keine Rolle mehr.«
»Ja oder nein?«
Algernon grinste. »Vielleicht.«
Ehe Spencer dem Impuls nachgeben konnte, seinem Gefangenen das Lächeln mit der geballten Faust aus dem Gesicht zu wischen, stürmte Kowalski herein. »Sir, das sollten Sie sehen. Ich denke, wir haben die Lösung!«
»Nicht hier«, sagte Spencer schnell. Er sprang auf und führte den Constable aus dem Raum. Algernon blieb mit versteinerter Miene sitzen und warf den beiden Polizisten giftige Blicke zu.
»Was haben Sie?«, fragte Spencer, als sie außer Hörweite waren.
»Es war ganz einfach«, sagte Kowalski atemlos. »Wir sind von der Prämisse ausgegangen, dass Algernons letzte Bombe irgendwo versteckt sein muss, wo eine gelungene Entschärfung das größtmögliche Potenzial für eine pro-monarchistische Propaganda bieten könnte.«
»Und?«
»Wir haben zwei Möglichkeiten identifiziert: eine wäre das Botschaftsgebäude einer anderen Nation. Würde dort eine Bombe hochgehen, käme das einer Kriegserklärung gleich.«
»Und er würde derjenige sein, der eine solche Gefahr abwendet, wenn er diesen Sprengsatz rechtzeitig unschädlich macht«, führte Spencer den Gedankengang seines Assistenten fort. »Was ihm zweifelsohne Sympathien in der Öffentlichkeit einbrächte, wenn der Vorfall publik würde. Und die andere Möglichkeit?«
»Nun ja. Noch mehr Sympathien würde es ihm einbringen, wenn durch sein Eingreifen eine unmittelbar bevorstehende, existenzielle Bedrohung von Sianong eliminiert werden könnte«, sagte Kowalski.
»Und zwar?«
»Wenn der Sprengsatz beispielsweise im Reaktor des städtischen Kraftwerks hochgehen würde, wäre die Stadt über Nacht ausgelöscht.«
Spencer wurde bleich. An ein solches Szenario hatte er noch gar nicht gedacht. »Allmächtiger!«
»So weit die Theorie. Interessant wurde es dann bei der Kreuzauswertung mit den Lebensläufen der Tarnexistenzen von Prinz Algernon. Wollen Sie raten, Chef?«
Der Inspector schüttelte irritiert den Kopf. »Reden Sie schon!«
»Also schön. Unter dem Namen Carl Tamm hat er mal für ein paar Wochen oben am Staudamm gearbeitet.«
Kapitel 9
Die letzte Bombe
Das ehemalige Jagdschloss der königlichen Familie lag am anderen Ende der Stadt in einem parkähnlichen Anwesen. Früher, als Kerian noch eine Monarchie gewesen war, hatte man in der benachbarten Menagerie Hunderte von Tieren aus allen Teilen des Königreichs gehalten, die bei besonderen Anlässen aus ihren Käfigen geholt und im Park ausgesetzt worden waren, wo bereits der König mit seinem Jagdgewehr auf sie wartete.
Heute waren Schloss und Ställe verwaist. Die überlebenden Tiere hatte man in den Zoo umquartiert, und das Schloss diente nur noch einigen Ewiggestrigen als Ausflugsziel. Das barocke Gemäuer war in einem beklagenswerten Zustand: Die Farbe blätterte von den Wänden, die ihrerseits deutliche Zeichen von Vandalismus zeigten, und in vielen Fensterrahmen fehlte das Glas.
Trigger hatte keine Mühe, das Schloss zu finden. Er brauchte lediglich dem Verlauf des Flusses Siani stromaufwärts zu folgen, der die Altstadt von Sianong in zwei Hälften teilte und am Jagdschloss vorbeiplätscherte. Hinter dem Park und dem Jagdschloss ragte eine viele Hundert Meter hohe Betonwand auf, die zwei schroffe Felsklippen miteinander verband.
»Die Mauer des Vandrow-Stausees«, erklärte Hassan al-Akrab, der hinter Clous Pilotensitz im Cockpit stand. »Hier wird der Siani aufgestaut. Dahinter liegt das Trinkwasserreservoir der Stadt.«
»Aha«, brummte Clou. Er hatte keinerlei Interesse an Einzelheiten und würde auch ganz gewiss nicht bleiben, um dem unehelichen Sohn des Hohen Lordrichters von Kerian die Hand zu schütteln. Er hatte al-Akrab lediglich angeboten, ihn zu seinem Termin zu fliegen, um die angespannte Stimmung aufzulösen, an deren Entstehung Clou ja nicht ganz unschuldig war.
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