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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Kutter heulte und die grauen Wellen gegen die Fenster des Ruderhauses schäumten.
    ‹Und dies ist Japhys See, und dies sind Japhys Berge›, dachte ich und wünschte, Japhy wäre da, um zu sehen, wie ich all das tat, was er mir gesagt hatte.
    In zwei Stunden tuckerten wir rüber zum steilen, bewaldeten Ufer zwölf Kilometer weiter den See hoch und sprangen an Land und machten das Floß an alten Stümpen fest, und Happy gab dem ersten Maultier einen Klaps, und es machte einen Satz vom Floß runter, auf beiden Seiten bepackt, wie es war, und nahm die glitschige Böschung im Sturm, schlug wild mit den Beinen um sich und fiel beinahe mit meinem ganzen Proviant in den See zurück, schaffte es aber doch und stapfte im Nebel davon, um auf dem Pfad auf seinen Herrn zu warten. Dann die anderen Maultiere mit Batterien und verschiedener Ausrüstung, dann schließlich Happy, der auf seinem Pferd als Führer voranritt, und dann ich auf der Stute Mabel und dann Wally, der Hilfsförster.
    Wir winkten dem Schiffer auf Wiedersehen zu und machten uns, eine traurige und triefende Gesellschaft, an einen harten arktischen Aufstieg in schwerem, nebligem Regen, immer schmale, felsige Pfade hoch, wobei uns Bäume und Unterholz bis auf die Haut durchnässten, wenn wir daran vorbeistrichen. Ich hatte meinen Nylonumhang am Sattelknopf festgebunden und holte ihn bald raus und zog ihn über, ein verhüllter Mönch auf einem Pferd. Happy und Wally zogen nichts über und ritten durchnässt mit gesenktem Kopf. Das Pferd rutschte ab und zu auf den Steinen des Pfades aus. Wir ritten immer weiter, immer höher, und schließlich kamen wir an einen Baumstamm, der quer über den Pfad gefallen war, und Happy stieg ab und holte seine zweischneidige Axt raus und ging an die Arbeit, fluchte, schwitzte und hackte mit Wally rundherum einen neuen Pfad frei, während ich abgeordnet wurde, die Tiere zu bewachen, wobei ich es mir bequem machte und mich unter einen Busch setzte und mir eine Zigarette drehte. Die Maultiere hatten Angst vor der Steigung und Unebenheit des Pfades, und Happy fluchte mich an: «Verflucht nochmal, pack ihn an der Mähne und schleif ihn hier rauf.» Dann hatte die Stute Angst. «Bring die Stute her! Denkst wohl, ich soll hier alles selber machen?»
    Schließlich kamen wir da raus und stiegen weiter auf, verließen bald das Buschwerk und traten in eine neue alpine Zone ein mit steinigen Wiesen, auf denen blaue Lupinen und roter Mohn den grauen Nebel mit liebreizenden, zarten Farben tupften, und der Wind blies jetzt hart und mit Graupeln. «Tausendfünfhundert Meter jetzt!», rief Happy von vorn und drehte sich im Sattel um, sein alter Hut schlappte im Wind, er drehte sich eine Zigarette und saß bequem im Sattel, da er sein ganzes Leben lang geritten war. Die nieseligen Wiesen mit Heidekraut und Feldblumen wanden sich immer höher hinauf, in Serpentinen, der Wind wurde zusehends stärker, schließlich rief Happy: «Siehst du den großen Felsen da oben?» Ich guckte hoch und sah einen irren, in Nebelschleier eingehüllten Felshang, eben über mir. «Das sind nochmal dreihundert Meter, wenn du auch vielleicht denkst, du könntest hochlangen und ihn anfassen. Wenn wir da hinkommen, sind wir beinahe da. Dann ist es nur noch eine halbe Stunde.»
    «Denk mal nach, ob du nicht vielleicht doch ’ne kleine Extraflasche Schnaps mithast, Junge?», rief er einen Augenblick später zurück. Er war nass und fühlte sich saumäßig, aber er ließ sich nicht unterkriegen, und ich konnte ihn im Wind singen hören. Inzwischen waren wir praktisch schon oberhalb der Baumgrenze, die Wiese machte grimmigen Felsen Platz, und plötzlich lag links und rechts Schnee, die Pferde wateten einen graupeligen Fuß tief darin, man konnte die Wasserlöcher sehen, die ihre Hufe zurückließen, wir waren jetzt wirklich ganz weit oben. Trotzdem konnte ich auf allen Seiten nichts als Nebel und weißen Schnee und treibenden Sprühregen sehen. An einem klaren Tag hätte ich die senkrechten Abhänge neben dem Pfad sehen können und hätte Angst vor einem Fehltritt meines Pferdes gehabt; aber jetzt erkannte ich nur vage Andeutungen von Baumspitzen tief unten, die wie kleine Grasbüschel aussahen. ‹O Japhy›, dachte ich, ‹und du segelst sicher auf einem Schiff über den Ozean, schön warm in einer Kabine, und schreibst Briefe an Psyche und Sean und Christine.›
    Das Schneetreiben wurde dichter, und Hagel begann in unsere roten, wettergegerbten Gesichter zu prasseln, und

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