Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)
wanderte ich durch die Berge hinter der Ranger Station oder saß einfach mit der Pfeife im Mund und einer Flasche Wein zwischen den Beinen im Schneidersitz am reißenden Skagit, an Nachmittagen und auch in Mondnächten, während die anderen Jungs Bier trinken und schwofen gingen. Der Skagit bei Marblemount war eine reißende klare Schneeschmelze von reinem Grün; über mir waren pazifische nordwestliche Kiefern in Wolken gehüllt; und weiter ab sah man Gipfel, die alles überragten; Wolken gingen mitten hindurch, und unregelmäßig brachen Sonnenstrahlen durch. Es war das Werk der stillen Berge, diese Reinheit des Sturzbachs zu meinen Füßen. Die Sonne schien auf die Strudel, widerspenstiges Treibholz blieb hängen. Vögel strichen spähend über das Wasser und suchten heimlich lächelnde Fische, die nur ab und zu aus dem Wasser emporschnellten und den Rücken krümmten und wieder ins Wasser zurückfielen, das weiterstürzte und ihre Wellenringe verwischte, alles wurde hinweggeschwemmt. Stämme und Treibholz schossen mit vierzig Stundenkilometern zu Tal. Ich schätzte, wenn ich versuchen würde, den schmalen Fluss zu durchschwimmen, wäre ich wohl fast einen Kilometer stromabwärts getrieben, ehe ich das andere Ufer erreicht hätte. Es war ein märchenhaftes Flussland, die Leere der goldenen Ewigkeit, Gerüche von Moos und Rinde und Zweigen und Schlamm, tosendes, geheimnisvolles Visionszeug vor meinen Augen, trotzdem ruhig und von ewiger Dauer, die Bäume am Hang des Hügels, das tanzende Sonnenlicht. Als ich hochsah, war mir so, als ob die Wolken die Gestalt von Eremitengesichtern annähmen. Die Kiefernzweige sahen zufrieden aus, wie das Wasser sie umspülte, und ebenso die Baumspitzen, verhüllt in grauem Nebel. Die zuckenden Sonnenscheinblätter der Nordwestbrise schienen dazu geschaffen, sich zu freuen. Die hochgelegenen Schneefelder am Horizont, die spurenlosen, schienen geborgen und warm. Alles hatte sich geöffnet und war empfänglich für jetzt und für alle Zeit. «Die Berge sind mächtig geduldig, Buddhamann», sagte ich laut und nahm einen Schluck. Es war ziemlich kalt, aber wenn die Sonne hervorguckte, verwandelte sich der Baumstumpf, auf dem ich saß, in einen Backofen. Wenn ich im Mondschein zu meinem selben alten Baumstumpf zurückging, war die Welt wie ein Traum, wie ein Phantom, wie eine Seifenblase, wie ein Schatten, wie vergehender Tau, wie ein Blitzschlag.
Schließlich war es so weit, dass ich auf meinen Berg verfrachtet werden sollte. Ich kaufte in dem kleinen Geschäft in Marblemount für fünfundvierzig Dollar Lebensmittel auf Kredit, und wir packten das auf den Lastwagen, Happy, der Maultiertreiber, und ich, und fuhren flussaufwärts nach Diablo Dam. Im Laufe unserer Fahrt wurde der Skagit schmaler und wildbachartiger, schließlich stürzte er über Felsen und wurde von Wasserfällen gespeist, die seitlich von den dichtbewaldeten Ufern herunterkamen, er wurde immer wilder und zerklüfteter. Der Skagit hatte unten bei Newhalem einen Staudamm, dann wieder bei Diablo Dam, wo man mit einem gigantischen Lift, Modell Pittsburgh, auf eine Plattform in Höhe des Diablo-Sees gebracht wurde. In den 1890-ern hatte es in dieser Gegend einen Goldrush gegeben, die Goldsucher hatten durch das massive Felsgestein der Schlucht zwischen Newhalem und dem jetzigen Ross Lake, dem letzten Staudamm, einen Pfad gelegt und für die trockengelegten Gebiete des Ruby Creek, Granite Creek und Canyon Creek Konzessionen erworben, die sich nie rentiert hatten. Jetzt lag der größte Teil dieses Pfades sowieso unter Wasser. Im Gebiet des oberen Skagit und um Desolation Peak, meinen Berg, hatte 1919 ein Feuer gewütet, zwei Monate lang unaufhörlich gebrannt und den Himmel über den nördlichen Bezirken von Washington und British Columbia verdunkelt und die Sonne ausgelöscht. Die Regierung hatte versucht, es zu bekämpfen, hatte tausend Mann hingeschickt, die per Fallschirm mit Nachschub versorgt wurden und die damals vom Basislager in Marblemount aus drei Wochen brauchten, aber erst die Herbstregenfälle hatten die Feuersbrunst gelöscht, und die verkohlten Stümpfe, wurde mir gesagt, standen immer noch auf Desolation Peak und in einigen Tälern. Das war der Grund für den Namen Desolation. Alles war Einöde und Einsamkeit.
«Junge», sagte der komische alte Maultiertreiber Happy, der noch seinen schlappigen Cowboyhut aus alten Zeiten in Wyoming trug und sich seine Zigaretten selbst drehte und immer Witze machte, «stell
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