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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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entdeckte die größten Dharma-Gammler von allen, die wahnwitzigen Zen-Buddhisten aus Japan und China. Da er ein idealistisch angehauchter Junge aus dem Nordwesten war, begann er sich zur selben Zeit für den altmodischen, linientreuen Anarchismus zu interessieren und lernte Gitarre spielen und alte Arbeitslieder singen, weil ihm das gut zu seinem Interesse an Indianerliedern und Volksliedern im Allgemeinen zu passen schien. Ich sah ihn zum ersten Mal die Woche darauf, als er in San Francisco die Straße runterkam (ich war das letzte Stück der Reise ab Santa Barbara per Anhalter gefahren, und zwar hatte mich – ihr könnt es glauben oder nicht – eine unheimlich gutaussehende junge Blondine im schneeweißen trägerlosen Badeanzug die ganze Strecke mitgenommen, sie war barfuß und hatte eine Goldkette am Fußgelenk und fuhr einen mordsschnellen, supermodernen, zimtfarbenen Lincoln, Modell Übermorgen, und wollte Benzedrin haben, damit sie ohne Unterbrechung bis zur Stadt durchfahren konnte, und als ich ihr sagte, ich hätte was von dem Zeug in meinem Seesack, rief sie: «Irre!») – Ich sah also Japhy, wie er mit dem seltsamen langen Schritt des Bergsteigers heranstapfte, einen kleinen Rucksack auf dem Rücken, der mit Büchern, Zahnbürsten und allem Möglichen angefüllt war und der sein kleiner Rucksack war, bestimmt für Ausflüge in die Stadt, im Gegensatz zu seinem großen Rucksack, in dem er seine vollständige Ausrüstung mit Schlafsack, Wolldecke und Kochtöpfen hatte. Er trug einen kleinen Spitzbart und sah mit seinen etwas schiefgestellten grünen Augen auf seltsame Weise orientalisch aus, aber er wirkte ganz und gar nicht wie ein Bohemien (der im Kielwasser der Künste mitschwimmt). Er war drahtig, von der Sonne gebräunt, kräftig, offen, bestand nur aus Na, wie geht’s denn und vergnügtem Gerede und rief sogar den Gammlern auf der Straße ein lautes Hallo zu, und wenn ihn jemand was fragte, antwortete er ohne Umschweife, und ich weiß nicht recht, ob das, was er sagte, nun hochstehend oder tiefgründig war, jedenfalls war es immer lustig und sprühte vor Leben.
    «Woher kennst du Ray Smith?», fragten sie ihn, als wir The Place betraten, die Lieblingsbar der coolen Typen in North Beach.
    «Ich lerne meine Bodhisattvas immer auf der Straße kennen!», rief er und bestellte Bier für alle.
    Es war ein großer Abend, ein historischer Abend, in mehr als einer Hinsicht. Es war vorgesehen, dass Japhy und ein paar andere Dichter (er schrieb auch Gedichte und übersetzte chinesische und japanische Lyrik ins Englische) in der Six Galerie im Stadtzentrum eine Dichterlesung abhalten sollten. Sie trafen sich alle in der Bar und kamen mords in Stimmung. Aber als sie so herumstanden und -saßen, merkte ich, dass er der Einzige war, der nicht wie ein Dichter aussah, obgleich er wirklich einer war. Die anderen Dichter waren entweder intellektuelle coole Typen mit Hornbrille und wildem schwarzen Haar wie Alvah Goldbook, oder zerbrechliche, blasse, gutaussehende Dichter wie Ike O’Shay (im Anzug), oder weltentrückte, sanftblickende Renaissance-Italiener wie Francis DaPavia, der wie ein junger Priester aussah, oder alte Anarchisten mit Fliege und zerzaustem Haar wie Rheinhold Cacoethes, oder dicke, ruhige Kuschelbären mit Brille wie Warren Coughlin. Und all die anderen hoffnungsvollen Dichter standen da herum, jeder in einem anderen Aufzug, die Cordjacken waren an den Ärmeln durchgescheuert, die Schuhe ausgelatscht, und Bücher guckten aus ihren Taschen heraus. Nur Japhy trug handfeste Arbeitskleidung, die er gebraucht gekauft hatte und die er für seine Bergpartien und Spaziergänge und zum Sitzen im Freien bei Nacht brauchte, fürs Lagerfeuer und zum Trampen die Küste rauf und runter. Außerdem hatte er in seinem kleinen Rucksack tatsächlich eine ulkige grüne Bergsteigermütze, die er aufsetzte, wenn er am Fuß eines Berges ankam, gewöhnlich einen Jodler auf den Lippen, ehe er begann, tausend Meter oder mehr nach oben zu wandern. Er trug Bergstiefel, die sehr teuer waren und aus Italien stammten, sein Stolz und seine Freude. Mit ihnen stolzierte er wie ein Holzfäller aus alter Zeit über den mit Sägemehl bestreuten Fußboden der Bar. Japhy war nicht groß, nicht viel größer als ein Meter siebzig, aber stark und drahtig und beweglich und muskulös. Sein Gesicht war eine wehmütige Knochenmaske, aber seine Augen zwinkerten über dem Spitzbart wie die Augen der alten verschmitzten Weisen aus China, was das

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