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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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wäre, der durch China wanderte und ständig seine Glocke läutete. Ich sah es in einer Vision vor mir: Wenn ich nicht im Freien schlief, mit Güterzügen trampte und tat, was ich wollte, hatte ich keine andere Wahl, als mit hundert anderen Patienten vor einem entzückenden Fernsehapparat in einem Irrenhaus zu sitzen und mich da ‹betreuen› zu lassen.
    Ich ging in ein Kaufhaus und kaufte mir etwas konzentrierten Orangensaft und Erdnussbutter und Vollkornbrot, was als Verpflegung bis morgen gut ausreichen würde, wenn ich durch die andere Hälfte der Stadt weitertrampen wollte. Ich sah viele Streifenwagen, und die Cops sahen mich misstrauisch an: geleckte, gutbezahlte Polizisten in nagelneuen Wagen mit all der teuren Funkausrüstung zum Aufpassen, dass heute Nacht kein Bhikku in seinem Hain schlief.
    Beim Gehölz an der Landstraße sah ich mich erst einmal ordentlich um, um mich zu vergewissern, dass vorne und hinten keine Streifenwagen auf der Straße waren, und schlug mich mitten ins Gehölz. Ich musste eine Menge Gestrüpp durchstoßen, ich wollte mich nicht damit aufhalten, den Pfadfinderweg zu suchen. Ich zielte direkt auf den goldenen Sand des Flussbettes, das ich vor mir sehen konnte. Die Straßenbrücke ging über das Gestrüpp hinweg, niemand konnte mich sehen, wenn er nicht anhielt und extra ausstieg, um herunterzuschauen. Wie ein Verbrecher bahnte ich mir den Weg durch helles, dürres, knackendes Gestrüpp und kam schwitzend hervor und stapfte knöcheltief durch Bäche und dann, als ich eine schöne Öffnung in einer Art Bambushain fand, zögerte ich mit dem Feueranzünden bis zur Dämmerung, damit niemand meine kleine Rauchfahne sehen sollte, und achtete darauf, das Feuer bei kleiner Glut zu halten. Ich breitete meinen Umhang und Schlafsack auf ein paar trockenen, raschelnden Blättern am Boden des Hains und auf Bambusschösslingen aus. Gelbe Espenblüten erfüllten die Nachmittagsluft mit goldenem Rauch und brachten mich zum Blinzeln. Es war ein schöner Platz, abgesehen von dem Röhren der Lastwagen auf der Flussbrücke. Meine Stirnhöhlenentzündung war schlimm, und ich stellte mich fünf Minuten lang auf den Kopf. Ich lachte. ‹Was würden die Leute denken, wenn sie mich sähen?› Aber es war nicht zum Lachen, ich war ziemlich traurig, das heißt richtig traurig wie in der vorigen Nacht in der scheußlichen Nebel- und Drahtzaunumgebung im industriellen L. A., wo ich sogar ein bisschen geweint hatte. Schließlich hat ein heimatloser Mensch einen Grund zum Weinen, alles in der Welt ist gegen ihn.
    Es wurde dunkel. Ich nahm meinen Topf und ging Wasser holen, musste aber durch so viel Unterholz kriechen, dass das meiste Wasser übergeschwappt war, als ich zu meinem Lager zurückkam. Ich mischte es in meinem neuen Plastikmixer mit Orangen-Konzentrat und mixte mir einen eiskalten Orangensaft zurecht, dann schmierte ich die Erdnussbutter auf das Vollkornbrot und aß zufrieden. ‹Heute Nacht›, dachte ich, ‹schlafe ich fest und lange und bete unter den Sternen, dass der Herr mich Buddha werden lässt, wenn mein Buddhawerk getan ist, Amen.› Und da es Weihnachten war, fügte ich hinzu: ‹Der Herr segne euch alle, fröhliche, sanfte Weihnachten auf alle eure Dächer, und hoffentlich sitzen dort Engel in der Nacht des großen, herrlichen, wirklichen Sterns, Amen.› Und dann dachte ich, später, als ich rauchend auf meinem Schlafsack lag: ‹Alles ist möglich. Ich bin Gott, ich bin Buddha, ich bin der unvollkommene Ray Smith, alles zugleich, ich bin der leere Weltenraum, ich bin alle Dinge. Ich habe unendlich viel Zeit, von Leben zu Leben, um zu tun, was getan werden muss, zu tun, was getan ist, das zeitlose Tun zu tun, innen unendlich vollkommen, warum weinen, wozu sich Sorgen machen, vollkommen wie der reine Geist und der Geist von Bananenschalen›, fügte ich lachend hinzu, als ich an meine poetischen zen-besessenen, vor sich hin gammelnden Dharma-Freunde aus San Francisco zurückdachte, die mir jetzt zu fehlen begannen. Und ich sagte noch ein kleines Gebet für Rosie.
    ‹Wenn sie am Leben geblieben und mit mir hierhergekommen wäre, hätte ich ihr vielleicht was erzählen können, sie umstimmen können. Vielleicht hätte ich sie einfach geliebt und gar nichts gesagt.›
    Ich meditierte lange Zeit mit gekreuzten Beinen, aber das Brummen der Lastwagen störte mich. Bald kamen die Sterne hervor, und mein kleines Indianerfeuer schickte ihnen etwas Rauch entgegen. Ich schlüpfte um elf in meinen

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