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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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und erklärte mir durch Zeichen, dass er taubstumm war, dass man mir mein Gepäck stehlen und mich umbringen würde, wenn ich es versuchte, was auch stimmte, wie mir plötzlich aufging. Ich war nicht mehr in Amerika. Im Niemandsland diesseits und jenseits der Grenze ist der Heimatlose mehr ohne Heimat denn je. Wo würde ich einen stillen Hain finden, in dem ich meditieren, für immer leben konnte? Nachdem der Alte versucht hatte, mir durch Zeichen seine Lebensgeschichte zu erzählen, ging ich winkend und lächelnd weg und überquerte die Ebene und die schmale Holzbrücke, die über das gelbe Wasser und rüber in den armen Lehmhüttenbezirk von Mexicali führte, wo mich die Fröhlichkeit Mexikos wie immer gefangen nahm, und ich aß köstliche Kichererbsensuppe aus einer Blechschüssel mit Stücken von Cabeza (Kopf) und roher Cebolla (Zwiebel), nachdem ich an der Grenzschranke einen Vierteldollar gegen drei Papierpesos und einen fetten Stapel riesiger Pennys gewechselt hatte. Während ich am kleinen Tresen an der matschigen Straße aß, begeisterte ich mich an der Straße, den Leuten, den armen Kötern, den Kantinen, den Huren, der Musik, Männern, die auf der engen Straße rumalberten und rangen, und einem unvergesslichen Schönheitssalon (Salon de Belleza) auf der anderen Seite, mit einem nackten Spiegel an einer nackten Wand und nackten Stühlen und einer kleinen siebzehnjährigen Schönheit in Haarklammern, die verträumt in den Spiegel sah, aber neben ihr eine alte Gipsbüste mit Perücke, und ein großer Mann mit Schnurrbart in einem skandinavischen Skipullover, der hinten in seinen Zähnen stocherte, und ein kleiner Junge im nächsten Frisierstuhl, der eine Banane aß, und draußen auf dem Bürgersteig ein paar kleine Kinder, die sich wie vor einem Kino versammelt hatten, und ich dachte: ‹O ganz Mexicali an einem Sonnabendnachmittag! Ich danke Dir, o Herr, dass Du mir die Freude am Leben wiedergegeben hast, an Deinen ewig wiederkehrenden Gestalten aus Deinem Schoß der Überreichen Fruchtbarkeit.› All meine Tränen waren nicht umsonst. Am Ende wird alles gut.
    Dann kaufte ich mir beim Herumspazieren einen heißen Pfannkuchen, dann zwei Orangen von einem Mädchen und ging im Staub des Abends wieder über die Brücke und glücklich Richtung Schranke. Aber da wurde ich von drei unangenehmen amerikanischen Grenzwachen angehalten, die verdrossen meinen ganzen Rucksack durchsuchten.
    «Was haben Sie in Mexiko gekauft?»
    «Nichts.»
    Sie glaubten mir nicht. Sie wühlten herum. Nachdem sie meine eingewickelten, aus Beaumont übrig gelassenen Chips und Rosinen und Erdnüsse und Mohrrüben und Dosen mit Schweinefleisch und Bohnen, die ich extra für unterwegs mithatte, und halbe Vollkornbrote befingert hatten, waren sie es leid und ließen mich gehen. Es war eigentlich komisch; sie erwarteten ohne Zweifel einen Rucksack voller Opium aus Sinaloa oder Marihuana aus Mazatlan oder Heroin aus Panama. Vielleicht dachten sie, ich wäre ganz von Panama hergewandert. Sie wurden einfach nicht schlau aus mir.
    Ich ging zum Greyhound-Busbahnhof und löste eine Karte für die kurze Strecke nach El Centro und für die Hauptdurchgangsstraße. Ich dachte mir, ich würde den Arizona Midnight Ghost nehmen und noch in derselben Nacht in Yuma sein und im Colorado-Flussbett schlafen, das mir schon vor langer Zeit aufgefallen war. Aber es kam so, dass ich in El Centro zum Bahnhof ging und mich auf dem Gelände rumdrückte und schließlich einen Zugführer ansprach, der einer Rangierlokomotive Signal gab: «Wo ist der Zipper?»
    «Der kommt nicht durch El Centro.»
    Ich wunderte mich über meine Dummheit.
    «Einziger Güterzug, den du nehmen kannst, fährt durch Mexiko, dann nach Yuma, aber die werden dich finden und rauswerfen, und dann landest du in einem mexikanischen Kittchen, Junge.»
    «Ich hab genug von Mexiko, danke.»
    Ich ging also zur großen Kreuzung in der Stadt, wo die Wagen nach Osten auf die Strecke Richtung Yuma abbiegen, und fing an zu winken. Eine Stunde lang hatte ich kein Glück. Plötzlich fuhr ein dicker Laster vor und hielt; der Fahrer stieg aus und machte sich an seinem Koffer zu schaffen. «Fahren Sie nach Osten?», fragte ich. – «Sobald ich mir Mexicali ein bisschen angesehen habe. Weißt du in Mexiko Bescheid?»
    «Hab jahrelang da gelebt.» Er musterte mich. Er war von der guten, alten Sorte, fröhlich, aus dem Mittelwesten. Er mochte mich.
    «Was hältst du davon, wenn du mir heute Abend Mexicali zeigst,

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