Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)
den Rückweg und fanden unsere Rucksäcke und gingen den Pfad, der direkt bis auf Meereshöhe geführt hatte, wieder hoch, eine erschöpfende, steile Kriecherei und Kletterei mit Händen und Füßen zwischen Felsen und kleinen Bäumen, aber schließlich kamen wir auf eine schöne Wiese und stiegen sie hoch und sahen wieder ganz San Francisco in der Ferne. «Jack London hat diesen Pfad immer benutzt», sagte Japhy. Wir schritten den Südhang eines herrlichen Berges entlang, der uns stundenlang einen Blick auf Golden Gate und sogar das meilenweit entfernte Oakland bot, während wir dahintrotteten. Es gab schöne Naturparks mit erhabenen Eichen, ganz golden und grün am späten Nachmittag, und viele wilde Blumen. Einmal sahen wir bei einem Grasbüschel ein Rehkalb stehen, das uns verwundert anstarrte. Wir kamen von dieser Wiese aus tief hinunter in einen Mammutbaumwald, dann wieder aufwärts, wiederum so steil, dass wir im Staub fluchten und schwitzten. So sind Pfade: Man schwebt dahin in einem shakespearehaften Arden’schen Paradies und macht sich auf Nymphen und Flötenknaben gefasst, dann plötzlich kämpft man in einer heißen, schmorenden Höllensonne mit Staub und Brennnesseln und Gifteichen … genau wie das Leben. «Schlechtes Karma bringt automatisch gutes Karma hervor», sagte Japhy, «fluch nicht so viel und komm mit, bald sitzen wir schön auf einem flachen Hügel.»
Die letzten drei Kilometer des Hügels waren furchtbar, und ich sagte: «Japhy, es gibt eins, das ich mir im Augenblick mehr wünsche als alles auf der Welt – mehr als irgendwas, das ich mir je im Leben gewünscht habe.» Kalte Abendwinde bliesen, wir gingen jetzt ziemlich schnell, gebeugt, den Rucksack auf dem Buckel, den endlosen Pfad entlang.
«Was?»
«Eine schöne große Tafel Hershey-Schokolade oder auch eine kleine. Aus dem einen oder anderen Grunde würde eine Tafel Hershey-Schokolade im Augenblick meine Seele retten.»
«Das ist also dein Buddhismus, eine Tafel Hershey-Schokolade. Wie wär’s mit Mondschein in einem Orangenhain und einem Vanilleeis?»
«Zu kalt. Was ich brauche, mir wünsche, worum ich bete, wonach ich mich sehne, schmachte, ist im Augenblick eine Tafel Hershey-Schokolade … mit Nuss.» Wir waren sehr müde und redeten wie Kinder, während wir heimtrotteten. Ich kam immer wieder auf meine Tafel Hershey-Schokolade. Ich meinte es wirklich so. Ohnehin brauchte ich die Energie, ich war ein bisschen benebelt und brauchte Zucker, aber der Gedanke an Schokolade und Nüsse, die bei dem kalten Wind in meinem Mund zerschmolzen, war zu viel für mich.
Bald kletterten wir über den Zaun, der zu der Pferdeweide oberhalb unserer Hütte führte, und kletterten dann über den Stacheldrahtzaun auf unseren Hof und trotteten die letzten paar Meter durch das hohe Gras an meinem Rosenstrauchlager vorbei zur Tür der guten, alten, kleinen Hütte. Es war unser letzter gemeinsamer Abend zu Hause. Wir saßen traurig in der dunklen Hütte, zogen uns die Stiefel aus und seufzten. Ich konnte nur noch auf den Füßen sitzen, wenn man auf den Füßen saß, taten sie nicht so weh. «Nie wieder wandern», sagte ich.
Japhy sagte: «Wir müssen noch Abendessen machen, und ich merke gerade, dass nach diesem Wochenende nichts mehr im Hause ist. Ich muss zum Supermarkt runtergehen und was zu essen holen.»
«Mensch, bist du denn überhaupt nicht müde? Geh zu Bett, wir essen morgen.» Aber traurig zog er sich wieder die Stiefel an und ging raus. Alle waren weg, die Party war zu Ende gewesen, als herauskam, dass Japhy und ich verschwunden waren. Ich machte das Feuer an und legte mich hin und schlief eine Weile, und plötzlich war es dunkel, und Japhy kam rein und machte die Petroleumlampe an und ließ die Lebensmittel auf den Tisch fallen, und unter ihnen waren drei Tafeln Hershey-Schokolade, nur für mich. Es war die schönste Tafel Hershey-Schokolade, die ich je gegessen habe. Er hatte auch meinen Lieblingswein mitgebracht, roten Port, extra für mich.
«Ich fahre weg, Ray, und ich hab mir gedacht, du und ich, wir könnten ein bisschen feiern …» Seine Stimme verlor sich traurig und müde. Wenn Japhy müde war, und er arbeitete und wanderte oft bis zur Erschöpfung, dann klang seine Stimme weit weg und klein. Aber ziemlich bald raffte er sich wieder auf und fing an, ein Abendessen zu kochen und am Ofen zu singen, als ob er Millionär wäre, stampfte in seinen Stiefeln auf dem widerhallenden Holzfußboden umher, stellte Blumensträuße
Weitere Kostenlose Bücher