Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)
in die Tontöpfe, machte Teewasser heiß, klimperte auf seiner Gitarre herum und versuchte, mich aufzuheitern, als ich da lag und traurig an die leinenbespannte Decke starrte. Es war unsere letzte Nacht, wir fühlten es beide.
«Ich möchte mal wissen, wer von uns zuerst stirbt», dachte ich laut. «Wer es auch sein mag, komm wieder her, Geist, und gib ihm den Schlüssel.»
«Ha!» Er brachte mir mein Abendbrot, und wir saßen mit gekreuzten Beinen und mampften wie an so vielen Abenden zuvor: Der Wind wütete in dem Meer von Bäumen, und unsere Zähne machten mampf mampf bei gutem, einfachem, schwermütigem Bhikku-Essen. «Denk bloß mal, Ray, wie es hier auf diesem Hügel, wo unsere Hütte steht, vor dreißigtausend Jahren zur Zeit des Neandertalers ausgesehen hat. Und weißt du eigentlich, dass in den Sutras steht, es habe einen Buddha jener Zeit gegeben: Dipankara?»
«Der, der nie etwas sagte!»
«Siehst du alle diese erleuchteten Affenmenschen nicht geradezu vor dir, wie sie rund um ein loderndes Holzfeuer sitzen, rund um ihren Buddha, nichts sagen und alles wissen?»
«Die Sterne waren damals dieselben wie heute Nacht.»
Später am Abend kam Sean herauf und saß mit gekreuzten Beinen da und unterhielt sich kurz und traurig mit Japhy. Es war alles vorbei. Dann kam Christine rauf mit beiden Kindern auf dem Arm, sie war ganz schön kräftig und konnte mit großen Lasten auf Hügel klettern. In der Nacht ging ich in meinem Schlafsack beim Rosenstrauch schlafen und beklagte die kalte Dunkelheit, die sich plötzlich auf die Hütte gesenkt hatte. Sie erinnerte mich an die frühen Kapitel im Leben Buddhas, wie er beschließt, den Palast zu verlassen, sein trauerndes Weib und Kind und seinen armen Vater verlässt und auf einem weißen Pferd davonreitet, um sich das goldene Haar im Walde abzuschneiden und das Pferd mit dem weinenden Diener zurückzuschicken, und wie er eine trauervolle Reise durch den Wald antritt, um auf ewig die Wahrheit zu finden. «So wie die Vögel, die sich in den Bäumen des Nachmittags versammeln», schrieb Ashvhaghosha vor fast zweitausend Jahren, «dann bei Anbruch der Nacht alle verschwinden, so sind die Abschiede dieser Welt.»
Am nächsten Tag hatte ich vor, Japhy irgendein seltsames, kleines Abschiedsgeschenk zu machen, und hatte nicht viel Geld, und mir fiel auch nichts Besonderes ein, darum nahm ich ein kleines Stück Papier, etwa so groß wie ein Daumennagel, und schrieb sorgfältig in Druckschrift darauf: MÖGEST DU DEN DIAMANTSCHNEIDER DES ERBARMENS GEBRAUCHEN, und als ich ihm am Kai auf Wiedersehen sagte, reichte ich es ihm, und er las es, steckte es in die Tasche und sagte nichts.
Das Letzte, was man von ihm in San Francisco sah: Psyche war schließlich weich geworden und hatte ihm eine Nachricht geschickt: «Triff mich auf deinem Schiff in deiner Kabine, und ich gebe dir, was du willst», oder in diesem Sinne, deshalb ging keiner von uns mit an Bord, um sich von ihm in seiner Kabine zu verabschieden, Psyche wartete dort auf eine letzte leidenschaftliche Liebesszene. Nur Sean durfte an Bord gehen, um sich auf alle Fälle in der Nähe zu halten. Nachdem wir also alle zum Abschied gewunken und weggegangen waren, liebten sich Japhy und Psyche wahrscheinlich in der Kabine, und dann fing sie an zu weinen und wollte unbedingt mit nach Japan, und der Kapitän gab Befehl, die Passagiere müssten das Schiff verlassen, aber sie wollte nicht gehen, und das Letzte war: Das Schiff legte vom Kai ab, und Japhy kam auf das Deck raus mit Psyche auf dem Arm und warf sie glattweg vom Schiff runter – er war stark genug, um ein Mädchen zehn Fuß weit zu werfen –, mitten auf den Kai, wo Sean half, sie aufzufangen. Und obwohl das nicht gerade mit dem Diamantschneider des Erbarmens in Einklang stand, war es doch vernünftig, er wollte an das andere Ufer und sehen, dass er weiterkam. Weiterkommen wollte er im Dharma. Und der Frachter lief aus durch das Golden Gate und hinaus in die tiefe Dünung des grauen Pazifiks, nach Westen hinüber. Psyche weinte, Sean weinte, alle waren traurig. Warren Coughlin sagte: «Schade, wahrscheinlich wird er nach Zentralasien verschwinden, auf einer ruhigen, aber steten Runde von Kashgar nach Lanchow über Lhasa mit einer Reihe Yaks dahinmarschieren und Popcorn, Sicherheitsnadeln und verschiedenfarbiges Nähgarn verkaufen und gelegentlich einen Himalaja besteigen und letzten Endes den Dalai Lama und die ganze Bande im Umkreis von Kilometern erleuchten, und man
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