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Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition)

Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition)

Titel: Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Gastmann
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Ermüdungsbruch dazu, dann stößt mir jemand seinen Wanderstock in den Rücken.
    «Ajooh! Ich dachte schon, ich hätte dich verloren!»
    «Sag mal, Rolf, wo sind eigentlich eure Frauen?», frage ich, und jetzt muss er herzlich lachen.
    «Weißt du was, die Weiber sollten den Weg auf Knien gehen!»
    Hätte ich bloß nichts gefragt. Rolf erzählt, seine Frau halte ja nicht so viel von Religion wie er, und er würde ja viel mehr für die Kirche tun als sie. Und überhaupt: Das Wandern sei ja nichts für Frauen, die würden ja lieber sitzen und stricken, er sei da ja anders, er müsse sich bewegen, aber so wie ich alleine laufen, nein, das wäre nichts für den Rolf. Also wirklich, so ganz ohne Laufpartner, da würde er ja eingehen, da wäre der Rolf nicht mehr der Rolf, der Rolf brauche immer jemanden zum Reden, einen Kompagnon zum Schwätzen, also wenigstens einen Hund. Und dann fragt der Rolf, wo ich denn übernachte, wie lange ich schon unterwegs sei und ob ich schon mal vom Örtchen Dürkheim gehört hätte.
    «Lass mich raten: Da gibt es das größte Weinfass der Welt?»
    «Sehr gut! Aber Elwedritsche fange kannste da auch!»
    «Was?»
    «Ajooh, Elwedritsche fange!»
    Die «Elwedritsche», auch «Elwetritsch», «Ilwetritsch» oder «bestia palatinensis» genannt, sei eine seltsame Kreuzung aus Huhn, Ente, Gans, Kobold und Elfe mit Hirschgeweih und üppigen Brüsten – das Nationaltier der Pfalz. Bedauerlicherweise habe es noch kein Pfälzer je zu Gesicht bekommen, sagt Rolf. Vielleicht sei das aber auch besser so, denn Elwedritsche gelten als äußerst gefährlich. Nur der Geruch von Wein und Obstbrand könne die Biester auf Distanz halten. Jeder echte Pfälzer wisse das. «Ajooh! Und ist dir klar, woran man den echten Pfälzer erkennt? Der Franzose kann das H nicht aussprechen, der Chinese scheitert am R, und der Pfälzer steht auf Kriegsfuß mit dem F!» Nun wird aus dem schwätzenden Rolf auch noch der singende Rolf:
    In de Palz geht de Parrer mit de Peif in die Kerch,
    in de Palz, do singt jedes junge Mädel wie e Lerch.
    Und beim Woi, lieber Freund in de Palz,
    kriegschd es ganze Johr kenn truckne Hals.
    So oder ähnlich schallt es bis zum Morgengrauen: «Mir Pälzer kennen trinke, de Woi schmeckt gut zum Schinke.» Und plötzlich weiß ich, woran mich dieser so liebenswürdige und gleichzeitig unerträgliche Dialekt erinnert: An Sönke Wortmanns «Wunder von Bern». Mir ist so, als sei ich die ganze Nacht von drei Dutzend altklugen Fritz Waltern umgeben. Dieser behäbige, breite und genüsslich langgezogene Weintrinkerakzent lässt junge Männer zu bauchigen Kegelbrüdern mutieren, sobald sie nur den Mund aufmachen. Mit Pfälzisch verbinde ich leider nur Erinnerungen aus den dunkelsten Kapiteln der deutschen Vergangenheit: Helmut Kohl und Kurt Beck.
    Der Himmel färbt sich violett, die sanften Männer schreiten durch die Weinberge zurück in die Zivilisation, und den Ersten verlassen die Kräfte. Er stolpert immer wieder und bricht dann unvermittelt zusammen, knallt mit den Knien auf den kühlen Asphalt und sucht seine Nickelbrille. Wir helfen ihm auf und stützen ihn, bis wir um sechs Uhr morgens halb schlafend in eine Kirche einkehren. Nach dem kollektiven Toilettengang stellen sich die christlichen Herren in Dreierreihen auf und fassen sich von hinten fest an die Schultern, um ihren Brüdern Halt zu geben. Kerzen brennen, der Priester spricht einen Segen und malt jedem Gläubigen ein Ölkreuz auf die Stirn.
    Und ich? Ich zögere und lehne ab. Die Leute sind mir nicht unsympathisch, und eigentlich finde ich es nicht höflich, sich den Ritualen fremder Kulturen zu verschließen. Aber das hier geht zu weit. Von dieser Kirche möchte ich nicht gesalbt werden. Ich bin nicht gläubig, ich bin nicht Papst, und wenn ich an die Missbrauchsfälle der vergangenen Jahre und Jahrhunderte denke, wird mir schlecht. Es tut mir leid, aber für mich ist die katholische Kirche ein unmoralischer Verein. Könnte es sein, dass ich Heinrich IV. immer ähnlicher werde? Auch Rolf steht etwas abseits. Er wirkt müde.
    «Rolf, sind dir die Worte ausgegangen?»
    «Das wirst du nicht erleben, mein Lieber!», antwortet er, aber anstatt zu einer neuen Attacke auszuholen, öffnet er sein Portemonnaie und bezahlt meine fünf Euro Teilnahmegebühr. Das rührt mich sehr. «Ajooh, du bist doch ein Pilger», sagt Rolf, «da kannst du jeden Cent und alles Glück der Welt gebrauchen. Der Rolf hat immer Glück gehabt in seinem Leben, und

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