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Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition)

Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition)

Titel: Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Gastmann
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langgezogenen Stufen hinauf. Ganz wie ein König – oder wie ein alter italienischer Mann. Eben so, wie es sich gehört, Alberto Bolognesi wäre stolz auf mich. Die Hänge links und rechts der steinernen Treppe sind mit rotem Flatterband abgesperrt. In den Büschen liegen Rohre, Schubkarren, Gasflaschen, Planiermaschinen und Eimer mit Bauschutt. Na, wenigstens wird mal renoviert.
    Heinrich IV. muss ein unheimlich vitales Immunsystem gehabt haben. Angeblich winselte Hochwohlgeboren drei Tage und drei Nächte vor dem Burgtor um Gnade – barfuß im Schnee, nur mit einem dünnen Büßergewand bekleidet. Seine Krone und alle anderen königlichen Insignien hatte er abgelegt, fast nackt stand er da und bettelte wie ein einfacher Sterblicher um Erbarmen. Doch erst am vierten Tag ließ der Papst die Tore der Festung öffnen und nahm den verlorenen Sohn zurück in die liebenden Arme der Kirche. Der Bann war gebrochen, Heinrich rettete seinen Thron, und manche sagen, Gregor VII., der Stellvertreter Christi, hätte erfolgreich seine Muskeln spielen lassen. Doch das ist naiv. Heinrich hat seinen gehassten, gottesfürchtigen Feind schlicht und einfach erpresst. Oder anders gesagt: Er schlug ihn mit seinen eigenen Waffen. Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Welche Wahl hatte der Papst denn noch? Hätte er den armen Sünder etwa erfrieren lassen sollen? Der König bekam, was er wollte, doch er empfand keine Reue. Sieben Jahre nach seinem Gang nach Canossa zog er nach Rom, setzte den ungeliebten Pontifex ab und ließ sich von einem neuen Papst zum Kaiser krönen. Er hatte eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg.
    Obwohl sie sich aus tiefster Seele verachteten, sollen sich Papst und König auf der Burg Canossa in die Arme gefallen sein und bitterlich geweint haben. Ich habe mir fest vorgenommen, heute nicht sentimental zu werden. Es klappt ganz gut, offenbar habe ich die meisten meiner ungeweinten Krokodilstränen in den Alpen vergossen. Nur ein paar Nachzügler kullern meine Wangen hinunter. Mein Gott, was habe ich nicht alles überlebt: die Landstraßen, das wilde Norddeutschland, die Zeugen Jehovas, die Alpen, sogar die große Überquerung des Jura-Gebirges zu Fuß. Was soll mich jetzt noch schocken? Wovor muss ich Angst haben? Warum sollte ich je wieder an mir zweifeln? Es gibt keine Grenzen für den, der sie nicht hinnimmt.
    Und wer empfängt mich auf der Burg? Kein Papst, keine Blaskapelle, auch nicht die Queen. Es ist der Hausmeister. Ein langhaariger, schmerbäuchiger Latino im Camouflage-T-Shirt, der apathisch an der Mauer eines kleinen Museums lehnt und raucht. «Buongiorno!», rufe ich. «Ciao», mault er zurück und wendet sich ab. Ich würde ihm so gerne sagen, dass ich fast drei Monate zu Fuß gelaufen bin, nur um hier oben auf diese alten Steine zu starren. Ich möchte ihm vom Muffelwild erzählen, von meiner ersten Beichte, von Amphibienfahrzeugen auf dem Rhein, von der grünen Fee und vom Pfeifen der Murmeltiere in den Alpen. Aber es würde ihn wohl kaum interessieren. Er hat nur Augen für den bordeauxroten Stringtanga, der sich unter der Segelhose einer Touristin abzeichnet. Nur manchmal, zwischen zwei Zigaretten, rafft er sich auf und verscheucht Kinder, die auf den Mauerresten herumturnen.
    Wer ist noch hier oben? Die üblichen Verdächtigen. Ein Deutscher in Radlerhosen, Baseballkappe, beige Weste, Sandalen, und natürlich baumelt eine Spiegelreflexkamera vor seinem Kugelbauch. Seine Frau ist eilig auf der Damentoilette verschwunden, die mitten in den historischen Stein gehauen wurde. Und das Canossa-Museum? Es ist, nun ja, klein. In den Glasvitrinen hängen bunte Keramikscherben aus dem 14. bis 16. Jahrhundert, eine rostige Eisenschere, ein Tonteller aus der Renaissance mit Blumenmotiv und nicht viel mehr. Es gibt zwar eine Audio-Tour wie im Dom zu Speyer, doch ich verzichte lieber. Stattdessen trage ich mich in das schwarze Gästebuch ein. «Olga da Russia» schrieb «Bel Museo!», «Dieter aus Darmstadt» fand das Museum «sehr interessant», ich notiere, dass ich der erste Deutsche bin, der den Gang nach Canossa tatsächlich zu Fuß geschafft hat. Na ja, fast.
    Sollte es auf der Burg jemals wieder Ausgrabungen geben, werden die Archäologen eines Tages auf zwei bemerkenswerte Artefakte stoßen: eine Thermoskanne aus dem 21. Jahrhundert und eine mysteriöse Messingscheibe mit der Gravur «Campionato internazionale dilettanti 1960». Wer weiß, vielleicht spukt mein

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