Gangster auf der Gartenparty
rumzujagen. Davon werden nur
die Beine immer kürzer.“
Diesmal seufzte Tim.
An Julia gewandt, sagte er: „Wir können
einen echten Lauschangriff machen — wenn du uns hilfst. Wir besitzen ein
kleines Tonbandgerät. Zur Zeit ist es noch bei Gabys Vater im Präsidium. Aber
wir kriegen es zurück. Hast du einen Wagen?“ Sie nickte. „Einen ganz kleinen
Schlaglochhüpfer.“
„So klein, daß unser Gerät nicht
reinpaßt, kann er nicht sein. Du parkst sicherlich in der Nähe des Immo-Büros?“
Julia bejahte das.
„Zu dem Aufnahmegerät“, fuhr Tim fort, „gehört
eine Wanze. Sie ist das Mikrofon. Kaum größer als eine Erbse, magnetisch — haftet
also auf Metall — und hat außerdem eine Klebeseite. Damit kannst du die Wanze
auf Holz, Kunststoff, Glas, Wolle und anderes pappen. Was wir brauchen, ist ein
Gespräch zwischen Renz und...“
„...Patzke“, fiel Julia ihm ins Wort.
„Patzke? Hm. Ich dachte an Krätzkow.“
„Das kann ich nicht bewerkstelligen.
Der ruft zu selten an. Manchmal nimmt’s auch Patzke entgegen. Dann merke ich
gar nicht, wessen Anruf zum Chef durchgestellt wird.“
„Nützt uns Patzke was?“
„Bestimmt. Oft reden er und Renz unter
vier Augen. Nicht nur im Chefbüro, auch im Vorzimmer. Sie warten, bis ich weg
bin. Muß ja häufig mit Kunden zu Besichtigungsterminen. Im Vorzimmer, wo wir sitzen,
kann ich die Wanze leicht anbringen. Dann, draußen im Wagen, schalte ich das
Aufnahmegerät ein; und ich wette, wir werden Dinge hören, die uns vom Hocker
hauen.“
„Au!“ sagte Klößchen.
„Was ist?“ fragte Karl.
„Bin eben vom Hocker gefallen — und
wieder auf den Hintern. Wie gestern. Nur nicht ganz so hart.“
Feixend sah er seine Freunde an. Keiner
lachte über Klößchens Witz.
Lediglich Julia lächelte, damit er
seinen Willen hatte.
„Also abgemacht?“ fragte Tim.
Julia strahlte ihn an. Überhaupt sah
sie meistens ihn an. Aber bei 15 Jahren Altersunterschied war das nicht weiter
verdächtig.
„Abgemacht“, bekundete sie. „Wann
kriege ich das Kriegsgerät?“
„Heute abend. Am besten hier.“ Tim
schob die Brauen zusammen. „Aber Willi und ich sind verhindert. In der Penne
herrschen strenge Bräuche zur Zeit. Ihr müßt das übernehmen“, wandte er sich an
Gaby und Karl.
Damit war alles geregelt.
11. Lippes fürchterliche Wut
Schwüle drückte auf die
Strafvollzugs-Anstalt, als Heinz Obrecht, genannt ,Lippe’, entlassen wurde.
Zwei Jahre Knast! Zwei Jahre für
nichts!
Daß sie ihm jetzt drei Tagen schenkten
— nein, zwei — fiel nicht ins Gewicht. Das hatte bürokratische Gründe. Sein
Platz in der Zelle wurde gebraucht — von einem, der bestimmt nicht unschuldig
war und fünf Jahre brummen sollte.
Meine Wut ist grenzenlos, dachte
Obrecht. Eigentlich hätte ich längst platzen müssen.
Er fuhr mit der Bahn. Ein herrliches
Wetter. Am Abteilfenster quetschte er sich die Nase breit. Er starrte hinaus
und sog die Bilder auf — mit beiden Augen.
Die große Stadt! Hauptbahnhof!
Obrecht genehmigte sich ein Bier am
Stehausschank.
In der Kiosk-Scheibe schräg gegenüber
sah er sich.
Nun, er hatte abgenommen. Aber die
Größe — 181 cm — war noch dieselbe. In seinem knochigen Gesicht sanken die
Wangen etwas ein. Die Haut war eher fahl als gelb, und die Haarfarbe stumpf wie
immer.
Er sah aus wie einer, der gerade noch
für Hilfsarbeiten gut genug ist und keine Interessen hat. Aber so schätzte er
sich nicht ein. Nein! Wenn die Wut ihn packte, konnte er wild werden wie fünf
verwundete Tiger oder sechs Büffel. Außerdem hatte er rednerisch was drauf.
Nicht zuletzt deshalb nannten sie ihn ,Lippe’.
Durch Nebenstraßen schlurfte er dann
die Stadt ab — immer in Richtung Schlachthof-Viertel. Rachegedanken bevölkerten
seinen Kopf.
Pauline! Nur wenn er an seine Frau
dachte, fühlte er sowas wie Milde.
Die gute Pauline! Sie hatte ihm die
Treue gehalten, jede Besuchserlaubnis genutzt und immer selbstgebackenen Kuchen
mitgebracht, von dem er allerdings Sodbrennen bekam.
Jetzt stand er endlich vor der Tür:
Schlachthaus-Straße 11.
Er klingelte. Natürlich: Pauline war
da.
Fassungslos stand sie in der Tür, die
Schürze um die drallen Hüften.
„Heinz!“ schnappte sie. „Du? Heute
schon? Ich denke...“
Dann stieß sie einen Jubelschrei aus
und fiel ihm um den Hals.
Später, als er schon am zweiten
Speckbrot kaute und den fünften Schnaps in sich reingoß, holte er seine Wut
wieder hervor.
„Pauline, du kennst mich. Jetzt, da
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