Gangster auf der Gartenparty
Ich
wünschte, die Karre würde unter dem Kerl zusammenkrachen. Wir könnten schon mal
den Stern abbrechen und die Reifen zerstechen. Damit der merkt, der Renz, wie
Terror ist — Terror am eigenen Leibe.“
Was war das? Tim hatte sich abermals
gebückt. Aus der Nähe sah er trotz Zwielichts, daß ein schwarz-brauner Dorn — nein,
Glassplitter — auf dem Türgriff klebte: spitzig und aufrecht, so daß er genau
den Handteller treffen mußte.
Hm! Woher hatte die Spitze die Farbe?
Er schnupperte daran, roch aber nur den
Metalldunst des Wagens.
„Haben Sie den Splitter angeklebt, Herr
von Lommingen?“
Edu trat einen Schritt zurück und
stützte sich auf den Kofferraum.
Tim hörte den schweren Atem des alten
Mannes. Im selben Moment fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, blitzartig
erhellte der Durchblick seine graue Masse.
Tim hob ein Steinchen auf, schlug das
Splitterchen ab und kratzte am Türgriff, bis dort außer Schleifspuren nichts
mehr war. Dort, wo der Splitter im Straßenstaub lag, pflanzte er seinen Absatz
hin. Er scharrte, drehte und malmte, bis er sicher war, daß von dem Glasstück
nichts übrig blieb.
In Gedanken machte er einen Knoten ins
Taschentuch. Nachher Turnschuhe putzen! Besonders den Absatz!
„Den“, Tims Kinn wies zu Lenas
Häuschen, „packen wir anders, Herr von Lommingen. Vertrauen Sie uns! Wir
brauchen nur etwas Glück, und die Gerechtigkeit siegt. Selbstverständlich ist
das zwar nicht, aber manchmal klappt es trotzdem. Jedenfalls ist dieser Renz
kein Grund, daß ehrliche Menschen sich unglücklich machen. Sie verstehen.“
Edu atmete immer noch schwer. „Danke!“
sagte er leise. „Du hast recht. Ich... sollte mich schämen.“
„Was läuft eigentlich?“ fragte
Klößchen. „Du scharrst da rum wie der dienstälteste Hahn vom
Freiland-Hühnerhof. Herr von Lommingen will sich schämen. Und wieso machen sich
ehrliche Menschen unglücklich?“
„Pst! Später!“ sagte Tim.
Das Schock-Erlebnis hatte seine volle
Aufmerksamkeit beansprucht. Aber jetzt stand sie wieder zur Verfügung — und
richtete sich auf Lenas Häuschen.
Dort wurde die Tür aufgerissen, als
wäre das die Einleitung zum Gebäude-Abbruch.
Renz stampfte heraus, natürlich ohne
die Tür zu schließen. Er murmelte Flüche und Verwünschungen.
Dann kam er heran. Erst als seine
Ledersohlen auf die Straße hämmerten, bemerkte er die drei.
„Weg da!“ knurrte er — und drängte sich
an Tims Vorderrad vorbei, um die Fahrertür zu öffnen.
Trotz seiner Wut und des sicherlich
erhöhten Blutdrucks — die Feinfühligkeit seiner Finger hatte er nicht
eingebüßt.
Kaum berührte er den Türöffner, als er
zurückzuckte.
„Wer hat hier den Griff zerkratzt?“
blaffte er.
„Das war ich“, sagte Tim. „Sie wollen
mich jetzt sicherlich mit fünf Mark belohnen. Aber die weise ich zurück. Von
Ihnen nehme ich nichts an. Den Griff mußte ich säubern, weil da so ein Klumpen“,
er zeigte die Größe eines Straußeneis an, „Vogelkacke klebte. So was stört
einen Schöngeist wie mich. Sie verstehen. Leider klebte das Zeug sehr. Ich
mußte kratzen.“
Renz starrte ihn an. Für einen Moment
schien es, er mache sich zum Austeilen einer Ohrfeige bereit. Rechtzeitig noch
fiel ihm ein, daß er dafür nicht zuständig war, sondern Aufträge solcher Art an
seinen Handlanger vergab.
Er stieß ein böses Schimpfwort aus,
stieg in den Wagen und fuhr ab.
„Wir... müssen nach Lena sehen“, sagte
Edu und lief los.
13. Familienfoto und Iß-dich-satt
Sieht ein bißchen wie eine Gräfin aus,
dachte Tim. Jedenfalls zerbrechlich und mit durchscheinender Haut.
Lena Fleising hatte den Besuch des
Brutalos überstanden. Kein Herzanfall. Aber sie war im Gesicht so weiß wie ihre
Porzellankaffeekanne, und die schmalgliedrigen Finger zitterten.
Edu hielt ihre Hand. Lena saß auf der
Couch und sammelte sich. Tränen drängten ihr in die Augen. Trotzdem versuchte
sie tapfer zu sein.
Edu hatte die Jungs vorgestellt. Jetzt
konnte die alte Dame wieder lächeln.
„Tim und Willi wissen Bescheid“, erklärte
Edu. „Sie wollen uns helfen. Renz ist nämlich höchstwahrscheinlich in dunkle
Machenschaften verstrickt und hat kontaktiert (Verbindung aufnehmen ) mit
einem gesuchten Verbrecher. Wenn es gelingt, ihm das nachzuweisen, landet er
hinter Gittern. Dann, meine Liebe, haben wir unsere Ruhe.“
„Wirklich? Ach, Eduard, ich wünsche ja
niemandem was Schlechtes. Aber wenn wir von diesem Menschen befreit werden,
hätte ich
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