Gangster auf der Gartenparty
dem Himmel zu danken.“
„Was wollte er?“
„Wenn ich bis zum September nicht
ausziehe, will er mich zwangsweise raussetzen. Ich habe ihm die Bescheinigung
von meinem Arzt, von Dr. Stumpf, gezeigt, daß mein Gesundheitszustand keine
Aufregungen verträgt. Das interessiert Renz nicht. Ich kann gar nicht
wiederholen, wie der mich genannt hat. Wenn ich nicht freiwillig gehe, hat er
gesagt, werde was Schreckliches passieren. Eduard!“ Sie richtete sich auf. „Der
bringt es fertig und vergreift sich an Lumpi.“
„Nur ruhig, meine Liebe!“ Er
streichelte ihre Hand. „Es wird alles gut.“
Er sprach auf sie ein. Offenbar tat ihr
das wohl.
Zwei alte Menschen, dachte Tim. Und der
eine ist des anderen Stütze. Rührend! Und tröstlich zugleich.
Auf einem altmodischen Sekretär in der
Ecke des etwas plüschigen Wohnzimmers stand ein Telefon.
Tim fragte, ob er mal fernsprechen dürfe.
Selbstverständlich durfte er.
Er rief bei Computer-Karl an. Frau
Vierstein freute sich, Tims Stimme zu hören, und rief ihren Sohn an den
Apparat.
„Ich bin’s, Karl“, sagte Tim. „Wir sind
bei Frau Fleising. Renz war hier und hat wie ein Kannibale auf den Putz
gehauen. So geht’s nicht weiter. Bis zum Zapfenstreich in der Penne bleibt noch
etwas Zeit. Am besten, wir treffen uns bei Gaby.“
„Ich mache mich gleich auf die Reifen“,
erwiderte Karl. „Frag doch mal Klößchen, ob er die heutige Tageszeitung schon gesehen
hat. Ich war gerade dabei, mir die Polit-Kommentare ( Erläuterungen ) und
den Wirtschaftsteil reinzupfeifen, geistig, als ich im Lokalteil über das
Gruppenbild gestolpert bin. Hahahah!“
„Welches Gruppenbild?“
„Von Willi und Familie. Im Ernst! Er
ist mit seinen Eltern abgebildet — und füllt das halbe Bild aus.“
„Davon weiß er nichts. Ich auch nicht.
Weshalb das Foto?“
„Hermann Sauerlich stellt doch dieser
Tage überall in Europa seine bahnbrechende Erfindung vor: die
Schlankheits-Schokolade. Genuß ohne Zunahme. Scheint ein Riesenwirbel zu
werden. Immerhin hat unsere größte Tageszeitung den Erfinder samt Familie im
Bild vorgestellt.“
„Toll! Werd’s Willi sagen. Also, bis
gleich bei Gaby!“
Er legte auf.
„Was sollst du mir sagen?“ fragte
Klößchen.
Tim erzählte. Auch die beiden Oldies
hörten zu. Klößchen drückte die Brust raus vor Stolz. Von dem Foto wußte er,
aber nicht, daß es heute veröffentlicht war. Zu dem neuen Kakao-Produkt gab er
Erklärungen ab.
„Daß unsere Iß-dich-satt-Schoko einen
Siegeszug um die Welt antritt, darüber besteht kein Zweifel. Alle Kenner
äußerten Entzücken. Freilich bin ich als Schokoladen-Fachmann einsame Spitze,
weshalb ich auch in unserer hiesigen Fabrik immer als Tester eingesetzt wurde —
während der Produkt-Entwicklung. Hier unter uns kann ich’s ja zugeben. So ganz
trifft die neue Schoko meinen Geschmack nicht. Ich vermisse den butterschmelzigen-kakaokörnigen
Knackbiß. Den findet man nur bei den herkömmlichen Sorten. Die sind außerdem
nahrhaft und erhöhen das Körpergewicht.“
„Die neue Schokolade werde ich aber
ganz gewiß probieren“, rief Lena Fleising. „Ich nasche gern. Aber weil ich sehr
auf mein Gewicht achten muß, bin ich zurückhaltend.“
Klößchen strahlte und versprach,
demnächst ein paar Proben vorbeizubringen.
*
Krätzkow hatte die Rolläden
heruntergelassen, saß jetzt in dem verschlissenen Sessel, trank Rotwein aus der
Flasche und blätterte — mißmutig — die Tageszeitung durch.
Das Licht der Stehlampe fiel über seine
linke Schulter. Es war eine wacklige Lampe — wacklig und alt wie alles in
diesem möblierten Haus.
Pauline Obrecht hatte ihm den
Unterschlupf vermittelt.
Er war’s zufrieden und fühlte sich
sicher.
Jetzt schlug er den Lokalteil der
Zeitung auf. Sein Blick huschte über Großbuchstaben und Fotos. Deren gab’s
drei.
An einem blieb sein Blick hängen.
Drei Personen waren abgebildet. Eine
Familie, offenbar. Und den Jungen — den kannte er.
Das war doch... dieser Willi! Dieser
blutrünstige Fettwanst mit den Hundeketten am Hals und Handgelenk. Wie zahm der
hier wirkte! Richtig bürgerlich. Großbürgerlich! Mal sehen...
Er las. Von dem Schokoladen-Fabrikanten
Hermann Sauerlich war die Rede, dessen Produkte geschmacksbildend seien — buchstäblich
— in ganz Europa. Iß-dich-satt-Schokolade hatte er erfunden. Genuß ohne
Zunahme. Wohlgeschmack ohne Reue. Und mit ihm freuten
sich Ehefrau Erna und Sohn Willi, 13 Jahre alt.
Schoko-Fabrikant?
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