Gangster auf der Gartenparty
reinnehmen.
Habgierig wie der ist, würde er die Hälfte für sich beanspruchen. Außerdem ist
er zu feige. Riskiert nichts. Bleibt immer im Hintergrund. Legt sich nur mit
Alten und Wehrlosen an. Aber auch da muß ich die Dreckarbeit machen. Renz ist
also ungeeignet. Deshalb habe ich an Ritchie Kessling gedacht. Den kennst du
doch auch, Heinz.“
„Na, und ob! Ritchie ist okay.“
„Aber er wohnt nicht mehr hier“,
schaltete sich Pauline ein. „Ich traf ihn voriges Jahr. Er hatte Einbrüche
gemacht bei zwei oder drei Pfarrämtern und die Kirchenkasse geklaut. Ich
glaube, die Bullen waren ihm auf der Spur. Da hat er die Platte geputzt. Er
wohnt jetzt bei seiner Mutter.“
„Mist!“ knurrte Obrecht. „Und wo wohnt
die Mutter?“
„Möffelhausen heißt das Kaff. Habe ich
mir gemerkt, weil’s so ulkig ist. Muß ziemlich weit weg sein. Ritchie sagte was
von 400 Kilometern.“
„Das kriegen wir raus“, meinte
Krätzkow. „Und fragen können wir. Wie ich ihn kenne, macht er mit. Je
gefährlicher, desto besser. Hauptsache, die Kohle stimmt.“
Er trat ans Telefon und rief die
Auskunft an. Abteilung Inland, wo bekanntlich Tag und Nacht Betrieb ist.
„Ich brauche einen Teilnehmer in
Möffelhausen“, erklärte er der freundlichen Auskunfts-Dame. „Ja, Möffelhausen.
Wie Moffel mit zwei Pünktchen. Die Teilnehmerin heißt Kessling. Den Vornamen
weiß ich leider nicht.“
„Ich habe hier eine Brunhilde Kessling“,
wurde ihm nach wenigen Augenblicken gesagt. „Sonst ist nichts unter Kessling
verzeichnet. Die Nummer ist...“
Krätzkow schrieb mit, bedankte sich und
legte auf.
„Was meint ihr: Können wir um diese
Zeit anrufen? Oder springt mir Brunhilde ins Gesicht?“
„Sicherlich meldet sich niemand“,
meinte Obrecht.
Er täuschte sich. Kaum hatte Krätzkow
gewählt, wurde im 400 Kilometern entfernten Möffelhausen — wo auch immer das
sein mochte — der Hörer abgenommen.
„Wer spricht?“ krächzte eine
Schnapsdrossel-Stimme in den Draht.
„Frau Brunhilde Kessling?“ fragte
Krätzkow dagegen.
„Wer spricht?“
„Wenn Ritchie da ist — ihn hätte ich
gern.“
„Wer spricht?“ beharrte sie.
Alte Kuh! dachte er. Wir können das
endlos fortsetzen. Aber weil das Ferngespräch teuer war, entschloß er sich zu
einem Kompromiß ( Zugeständnis).
„Hier ist der Alfons.“
„Alfons — und weiter?“
„Es gibt nur einen.“
„Ritchie ist nicht da.“
„Schade! Wann kommt er zurück?“
„Vielleicht in zwei Stunden. Aber dann
schlafe ich — und ich möchte nicht, daß der Apparat klingelt.“
„Verstehe, Frau Kessling. Sagen Sie ihm
bitte, daß er zurückrufen soll. Morgen, wenn Sie nicht mehr schlafen. Ich gebe
Ihnen die Nummer.“
Sie murmelte beim Mitschreiben. Bei der
Zwei verstand sie drei. Aber irgendwie gelang es dann doch. Jedenfalls stimmte
alles, als sie die Rufnummer zur Kontrolle wiederholte. Seufzend legte Krätzkow
auf.
*
Während der Nacht bedeckte sich der
Himmel. Am nächsten Morgen nieselte warmer Sommerregen herab.
Tim hatte am Türrahmen seine Klimmzüge
gemacht und dann lange geduscht. Ohne Klößchen, der erst zum Unterricht
eintreffen würde, ging im ADLERNEST alles viel schneller.
Aber Tim täuschte sich, was die Ankunft
seines dicken Freundes und Budengenossen betraf.
Plötzlich, noch bevor zum Frühstück
gegongt wurde, stand er auf der Schwelle, gehüllt in ein pitschnasses Cape.
Regen tropfte ihm aus ungekämmten Haaren. Sein Gesicht war ein einziger Vorwurf
mit dickem Ausrufungszeichen.
„Wo kommst du denn her?“ staunte Tim.
„Woher wohl? Von zu Hause natürlich.
Schrecklich!“
„Was ist schrecklich?“
„Die verdammte Sommerzeit.“
„Wieso? Mir ist sie so lieb wie die
Winterzeit.“
Klößchen riß sich das Cape herunter und
warf’s auf den Schrank. „Eigentlich habe ich verschlafen. Bin um zehn Minuten
zu spät aufgestanden.“
„Und so zeitig schon hier? Verstehe ich
nicht.“
Klößchen zog die nassen Turnschuhe aus
und schlüpfte in ein anderes Paar.
„Das ist so, Tim: Wie dir bekannt sein
dürfte, wird bei der Sommerzeit, die Ende März beginnt und ein halbes Jahr
gilt, der Tag um eine Stunde vorverlegt. Man stellt also die Uhr um eine Stunde
vor, damit alles eher anfängt. Man steht um sieben auf, in Wirklichkeit ist es
erst sechs. So bleibt der Tag, abends, länger hell.“
„Diese Einzelheiten sind mir bekannt“,
nickte Tim. „Aber was hat das mit dir zu tun?“
„Gestern abend, nach der
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