Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ganz die Deine

Ganz die Deine

Titel: Ganz die Deine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Piñeiro
Vom Netzwerk:
Lächeln verabschiedete ich mich von der Empfangsdame. Im Vorbeigehen warf ich einen kurzen Blick in den großen Spiegel im Entree und zwinkerte mir zu.
    Dabei spielten meine Finger in der Tasche des sandfarbenen Seidenkleids mit dem Schlüsselbund.

9
    »Wer hat dich hierher geschickt?«
    »Die Kusine einer Freundin von mir.«
    »War die mal bei uns?«
    »Weiß ich nicht, hat sie nicht gesagt.«
    »Wie heißt sie?«
    »Belén Aguirre.«
    »Ach so. Weißt du, wie es abläuft, Kleine?«
    »Na ja, mehr oder weniger.«
    »Im Wievielten bist du?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Wann war deine letzte Regel?«
    »Weiß ich nicht mehr.«
    »Versuch dich zu erinnern, das ist das Wichtigste von allem.«
    »U … ungefähr vor zwei Monaten.«
    »Na gut, in dem Fall – wenn wir uns beeilen, können wir es absaugen.«
    »Was heißt das?«
    »Man saugts ab, Kleine, mit so einer kleinen Pipette, du spürst überhaupt nichts. Reinstecken, absaugen, fertig. Ganz ohne schaben oder sonst was.«
    » … «
    »Kommt alles fein säuberlich raus, restlos.«
    » … «
    »Ist dir schlecht?«
    »Bisschen flau im Magen.«
    »Keine Sorge, das ist ganz normal. Das vergeht. Wir machen einen Termin aus, dann brauchst du zwei Tage, um dich ein bisschen zu erholen, und danach haben wir uns nie im Leben gesehen. Und du bist wie neu und kannst dein Leben ganz normal weiterfuhren.«
    »Merkt man einem das an?«
    »Was?«
    »Das, was ich mit mir machen lasse.«
    »Wie soll man da was merken, wir machen doch gar nichts.«
    » … «
    »Kleine, wenn niemand was mitkriegen soll, kriegt auch niemand was mit, ja?«
    »Okay.«
    »Ich schreib dir jetzt noch ein paar Sachen auf, die du brauchst, ein Rezept. Für nachher ein Antibiotikum, und am Tag vorher nimmst du ein Valium, damit du schön entspannt bist, verstanden? Bisschen schwindlig kann einem dabei schon werden. Bringst du jemand mit?«
    »Weiß nicht.«
    »Also, ich empfehl dir, such dir jemanden, dem du traust, eine Freundin oder so, das weißt du selbst am besten, von dem Valium und der Betäubung wird einem schon ein bisschen schummrig, da sollte man nachher nicht alleine auf der Straße rumlaufen, Kleine.«
    »Gut.«
    »Noch irgendwas, was du fragen willst?«
    »Nein.«
    »Also dann wegen dem Geld. Das kostet dich tausend Pesos. Du musst es bar mitbringen, überweisen geht bei uns nicht, klar? Dollars oder Pesos, egal.«
    » … «
    »Du hast das Geld doch, oder, Kleine?«
    »Ja, ja, ich habs.«
    »Gut, wie du meinst. Machen wir gleich einen Tag aus? Am zehnten Juli, passt das bei dir?«
    »Nein, da gehe ich auf Klassenfahrt.«
    »Wie alt bist du denn, Kleine?«
    »Neunzehn.«
    »Wirklich?«
    »Ja … Ich bin einmal durchgefallen.«
    »Weil, Minderjährige behandeln wir nicht, weißt du. Bloß wenn ein Erwachsener dabei ist.«
    »Ich bin neunzehn.«
    »Da sind wir total streng. Probleme wollen wir nicht.«
    »Ich sag doch, ich bin volljährig.«
    »Okay, Kleine, aber an dem Tag, wo wir dich operieren, musst du deinen Ausweis mitbringen, klar?«
    »Ja.«
    »Willst du lieber vor oder nach der Reise?«
    »Nachher.«
    »Allzu lange warten können wir nicht, sonst setzt sich das Ding fest, und dann kann man nicht mehr absaugen, verstehst du? Wann kommst du zurück?«
    »Am Achtzehnten.«
    »Der Achtzehnte ist Sonntag. Montag ist schon besetzt. Dienstag, den Zwanzigsten, einverstanden?«
    »Ja.«
    »Also, am Dienstag, Zwanzigster, um zehn Uhr morgens.«
    »Da kann ich dann ja nicht zur Schule gehen.«
    »Tja, da bleibt dir wohl nichts anderes übrig, Kleine.«
    » … «
    »Also, ich trag dich dann für den Zwanzigsten ein, ja?«
    »Ja.«
    »Gut, ich erwarte dich am Zwanzigsten um zehn Uhr morgens. Und vergiss nicht, du musst bar bezahlen, und denk an den Ausweis, bitte.«
    » … «
    »Hier, das Rezept für das Valium.«
    »Ja.«
    »Ciao, Kleine.«
    »Ciao.«
    »Gute Reise.«

10
    Ich betrat die Wohnung der Deinen, als wäre es meine eigene. Der größere Schlüssel war für die Haustür. Ich begegnete niemandem, weder an der Pförtnerloge noch im Treppenhaus. Bevor ich in die Wohnung ging, zog ich mir Gummihandschuhe über, die ich unterwegs gekauft hatte. Ich hatte in meinem Leben genügend Krimiserien gesehen, um nicht den Fehler zu begehen, überall Fingerabdrücke zu hinterlassen. Ich klingelte, es hätte ja sein können, dass die Verstorbene nicht allein lebte. Keine Reaktion. Ich schloss auf und ging hinein. Die Wohnung hatte zwei Zimmer, war klein, aber schick und sehr aufgeräumt.
    Bevor ich mich

Weitere Kostenlose Bücher