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Ganz die Deine

Ganz die Deine

Titel: Ganz die Deine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Piñeiro
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an die Durchsuchung von Schränken und Schubladen machte, drehte ich eine Runde durch alle Räume. Es gab jede Menge gerahmte Fotos. Familienbilder, alle mit Zahnpastalächeln. »Wenn man bedenkt, dass all diese Leute schon bald in Tränen ausbrechen werden … « Zwei Fotos zogen meine Aufmerksamkeit auf sich, sie waren größer als die anderen und auffällig platziert: eins der Deinen, in Schwarz-Weiß, und ein Farbfoto, auf dem sie den Arm um den Rücken einer gut Zwanzigjährigen gelegt hatte, sehr groß, mit langen schwarzen Haaren. Nach meinem Mann mit gebleckten Zähnen suchte ich, zu meiner Erleichterung, vergeblich. Es musste seinen Grund haben, dass ihm kein Platz unter all den lächelnden Verwandten zugestanden worden war. »Man stellt das Foto seines Geliebten auch nicht einfach zwischen die Uroma und die Kusine, schließlich ist das nicht das Gleiche«, sagte ich mir. Aber da täuschte ich mich – die Sache ging wesentlich weiter.
    Die eigentliche, gründliche Durchsuchung startete ich im Wohnzimmer. Ich fand nichts, was meinen Mann hätte belasten oder auch nur auf irgendeine Beziehung zu ihm hätte verweisen können, nicht einmal Arbeitsunterlagen aus dem Büro. Anschließend nahm ich mir Bad und Küche vor: ebenfalls nichts. Das Schlafzimmer hob ich mir für zuletzt auf. Wenn ich etwas finden würde, dann dort, das war klar. Und so war es auch. Als ich die Tür aufmachte, sah ich zu meinem Entsetzen ein Ehebett vor mir. Für einen Moment stellte ich mir vor, wie Ernesto sich darauf herumwälzte, schwitzend und verzweifelt darum bemüht, die Deine zu beglücken. Sehr böse Gefühle stiegen in mir auf, Lust, jemanden anzuschreien oder umzubringen. Aber tot war die Deine ja schon. Ich versuchte mich zu entspannen, atmete tief durch und konnte mich wieder meinem Vorhaben widmen. Schließlich war ich nicht gekommen, um das Feuer zu schüren, sondern um den Brand zu löschen. Außerdem muss man immer an allem das Positive sehen, in diesem Fall an dem Bett: Sosehr mich die Vorstellung quälte, Ernesto könnte sich darauf herumgewälzt haben, klar war, dass er sich zumindest dort nie mehr herumwälzen würde. Und ich hatte hier nichts anderes zu tun, als sämtliche belastenden Spuren zu beseitigen. Ein Ehebett belastet allerdings niemanden, denn vom Hin-und-her-Wälzen bleiben keine Spuren. »Oder vielleicht doch«, dachte ich und machte mich daran, die Laken zu untersuchen. Sie waren makellos, als hätte nie jemand darauf geschlafen. Kein Fleck, kein Haar, nicht eine Falte.
    Zwanzig Minuten später hatte ich den Kleiderschrank und zahllose Schächtelchen durchsucht, in denen die Deine allen nur erdenklichen Ramsch sammelte. Lauter kitschig-naives Zeug. Postkarten, Geschenkschleifen, Fotos, Muscheln, Servietten aus diversen Konditoreien, Dessertlöffel, Zeugnisse aus der Grundschule – die Deine bewahrte offenbar so ziemlich jeden Mist auf. Ich war versucht, alles in den Müll zu schmeißen, womit ich dem Erben, dem die Aufgabe zufallen würde, die Wohnung aufzulösen, nur einen Gefallen getan hätte, aber dann ließ ich doch lieber die Finger von Sachen, die mir nicht gehörten.
    Die wahre Überraschung erlebte ich beim Offnen der Nachttischschublade: Darin lagen eine Pistole und zwei Umschläge. Die Pistole überraschte mich nicht. Dass eine Frau, die allein lebt – wie die Deine –, eine Pistole griffbereit hat, war nur normal bei all den Spinnern, die heutzutage unterwegs sind. Mit Waffen kenne ich mich aus. Als Papa damals auszog, kaufte Mama eine Pistole und zeigte mir, wie man damit umgeht. »Zwei Frauen allein brauchen so was zu ihrer Sicherheit«, sagte sie. Benützt haben wir die Pistole aber nie. Eigentlich kaufte Mama sie wohl, um Papa damit zu erschießen – für den Fall, dass ihr Parfum und die Schminke die Wirkung verfehlten. Aber den Gefallen tat er ihr nicht; er kam nämlich nie wieder. Ich nahm die Pistole und stellte fest, dass sie geladen war. »Wenn wir schon eine haben, soll sie auch funktionieren«, sagte Mama immer.
    Hierauf öffnete ich einen der Umschläge. Mit den Gummihandschuhen war das gar nicht so einfach. Im Inneren befanden sich zwei Flugtickets nach Rio. Eins auf den Namen A. Soria, also Alicia Soria, die Deine. Das andere auf den Namen E. Pereyra, also Ernesto, mein Mann. Das bestätigte mir, dass aus dieser Beziehung nichts hätte werden können: Ernesto hat Hitze und Strand schon immer gehasst. Niemals wäre er auf die Idee gekommen, nach Rio zu fahren, mit

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