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Ganz die Deine

Ganz die Deine

Titel: Ganz die Deine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Piñeiro
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bist du wirklich mal wieder superschlau.«
    »Lali, ich bin dein Vater!«
    » … «
    »Am Ende wirst du noch magersüchtig.«
    »Red nicht so einen Blödsinn, Papa.«
    »Das ist kein Blödsinn, Lali. Ich sag Mama jetzt, sie soll dir das Frühstück rauf bringen.«
    »Nein! Ich will weiterschlafen, kapierst du?«
    » … «
    » … «
    »Na gut.«
    » … «
    » … «
    » … «
    »Ich muss jetzt los. Gleich kommt das Taxi.«
    »Ciao.«
    »Ich fahre nach Brasilien, weißt du?«
    » … «
    »Nach Rio.«
    » … «
    »Wegen meiner Arbeit.«
    »Na schön.«
    »Soll ich dir etwas aus dem Duty-free mitbringen?«
    » … «
    »Ein Parfum vielleicht?«
    »Was du willst.«
    »Nein, sag mir, was, von allein finde ich nie das Richtige.«
    »Also gut, ein Parfum.«
    »Irgendein bestimmtes?«
    »Nein, irgendeins, Papa.«
    »Und iss ordentlich, ja?«
    » … «
    »Bis dann.«
    »Ciao.«

21
    Es hupte vor unserem Haus. Das Taxi für Ernesto. Wir verabschiedeten uns mit einem Kuss. Es war kein Suuuper-Kuss, aber immerhin ein Kuss – für ein seit so vielen Jahren verheiratetes Paar jedenfalls eine ziemlich große Sache. Normalerweise hören die Leute im Lauf einer Ehe auf, sich zu küssen. Jeder weiß das, auch wenn niemand darüber sprechen will. Daran ist auch nichts Besonderes, es ist einfach so. Manchmal küsst man sich vor den anderen, um zu zeigen, dass man es immer noch tut. Sozusagen: »Seht ihr?« Aber unter vier Augen ist es etwas anderes, da besteht keinerlei Notwendigkeit dafür. Und wenn doch, dann weil er oder sie oder beide fürchten, es sei nicht gut, sich nicht mehr zu küssen. Da die Ehepartner nie mit jemand anderem darüber sprechen, wissen sie auch nicht, dass es allen so geht. Ausnahmslos. Selbst denen, die noch ein mehr oder weniger aktives Sexualleben pflegen. Manche lieben sich streng regelmäßig einmal pro Woche. Bestenfalls zweimal. Aber mit dem Küssen ist das etwas anderes. Das Küssen verliert nur allzu bald seinen Reiz.
    Ich begleitete ihn zur Tür und wartete, bis das Taxi losfuhr. Ich winkte hinterher. Er nickte mir zu und hob die Hand, aber ohne zu winken. Dann ging ich in die Küche und trank meinen Morgenkaffee. Dabei las ich in aller Ruhe die Zeitung. Die Vorstellung, ein ganzes Wochenende alleine verbringen zu müssen, störte mich nicht. Lali wollte mit einer Freundin zum Wochenendhaus von deren Familie fahren. Besser so, für uns beide. Nach dem Streit vom Vorabend war die Stimmung ohnehin ziemlich angespannt. Ich würde einmal nur an mich selbst denken und all das tun können, wozu man sonst nie kommt, wie zum Beispiel ein langes Bad nehmen, mit einem schönen hautpflegenden Zusatz, dann ein ausgiebiger Einkaufsbummel, von dem ich mir einen dieser Liebesfilme mitbringen würde, die Ernesto nicht ausstehen kann, und essen, was gerade da ist, ohne für jemanden kochen zu müssen. Bei dieser Vorstellung wurde meine Laune immer besser. Es war wie ein Wellnesswochenende, aber im eigenen Haus.
    Ich ging hinauf, um mich umzuziehen. Als ich das Zimmer betrat, fiel er mir zunächst nicht auf, obwohl er direkt vor meinen Augen lag. Ich zog mich um, kämmte mich, schminkte mich dezent, und erst als ich schon wieder aus dem Zimmer gehen wollte, sah ich ihn. Als hätte er nach mir gerufen: Ernestos himmelblauer Ordner. Er lag auf dem Nachttisch, genau dort, wo Ernesto ihn hingelegt hatte, nachdem er sein Skript für die Präsentation noch einmal durchgegangen war. »Wo hast du nur wieder deinen Kopf gehabt, Ernesto, da liegt ja dein Ordner!«, dachte ich. Und ohne lange zu überlegen, stieg ich ins Auto und machte mich auf den Weg zum Flughafen Ezeiza. Wie wohl jede Frau an meiner Stelle.
    Ich fuhr schneller als sonst. Schließlich musste ich da sein, bevor Ernesto eingecheckt hatte, wenn ich ihm den Ordner noch zukommen lassen wollte. In Gedanken stellte ich alle möglichen Berechnungen an, um herauszufinden, ob ich es noch rechtzeitig schaffen könnte. Er musste bereits seit einer Weile am Flughafen sein. Er war ziemlich früh gestartet, bei seiner Ankunft dürften nicht allzu viele Leute in der Warteschlange vor ihm gestanden haben. Kein Mensch kommt zwei Stunden vor dem Abflug, auch wenn die Fluggesellschaften das gerne hätten. Ernesto schon, in solchen Dingen ist er sehr pflichtbewusst. Und konsequent. Das heißt, er dürfte gleich nach dem Einchecken den Wartebereich im ersten Stock angesteuert haben. Aus welchem Grund hätte er auch unten bleiben sollen? Ich war also ziemlich knapp dran mit

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