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Ganz die Deine

Ganz die Deine

Titel: Ganz die Deine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Piñeiro
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Patsche. So sind sie nun mal, diese Weiber, die ihr Leben lang nicht aus ihren Büros herauskommen. Neidische, missgünstige Giftspritzen. Typische Ausgeburten dieser in sich geschlossenen Welt, die man »Unternehmen« nennt. Und je näher ihre Arbeitsstelle am internen Machtzentrum angesiedelt ist, desto schlimmer. Da sie keine Zeit haben, um ein eigenes Leben zu fuhren, leben sie das der anderen. Ihr ganzer Sinn und Lebenszweck ist das Büro. Dort findet von Montag bis Freitag das statt, was sie ihr Leben nennen. Die Wochenenden sind für sie die reinste Qual. Bis endlich wieder der heiß ersehnte Montag kommt, an dem ihr Leben weitergeht. Die Ärmsten. Mit Alicia war es nicht anders, sie erfand sich ein Leben an Ernestos Seite. Ein heimliches, vorläufiges Leben ohne Zukunft. Ein Leben von Montag bis Freitag, von halb neun Uhr morgens bis sieben Uhr abends. Und dieses Leben hatte ihr dann ausgerechnet eine ihrer nächsten Verwandten zerstört. Aber wie hätte etwas, was so schlecht begonnen hatte, auch anders enden sollen? Deprimierend. Und so vorhersehbar! Meine Mama hätte die Sache sofort durchschaut. Selbst ich hatte sie irgendwann durchschaut.
    Jedenfalls gaben diese beiden Damen an, Ernesto und Alicia hätten etwas miteinander gehabt. »Na gut, sollen sie doch sagen, was sie wollen, aber du hast schließlich ausgesagt, dass wir uns an dem Abend Psycho angesehen haben, und das Gleiche werde ich auch sagen, wenn mich jemand fragt«, sagte ich. Und um ihm Mut zu machen, fugte ich hinzu – und tat dabei gelassener, als ich in Wirklichkeit war –: »Wir haben ein Alibi, Liebling!« – »Ich habe aber ausgesagt, dass du unten Psycho angesehen hast, während ich oben im Schlafzimmer lag und schlief«, verbesserte er mich. So hatten wir das nicht abgesprochen. »Ich wollte sichergehen, dass ich nicht durcheinander komme, wenn man mich nach dem Inhalt des Films fragt. Wenn man sagt, man hat geschlafen, verwickelt man sich nicht so einfach in Widersprüche«, erklärte er. Das fand ich eine vernünftige Überlegung. Aber Ernesto ist sowieso nicht dumm, das muss man zugeben. Andererseits ist er ein Mann und folglich durchaus imstande, Tyrone Power mit Mel Gibson zu verwechseln. Jedenfalls funktionierte das mit dem Alibi auch so, schließlich hätte ich ja mitbekommen, wenn er das Haus verlassen hätte – sozusagen. In Wirklichkeit verließ er natürlich das Haus, und ich bekam das auch mit. (» Think in English«, wie Mrs. Curtis zu sagen pflegte.) Was unser Alibi betraf, war also alles in Ordnung. Alles, bis auf Ernesto: So wie er einen ansah, hätte man ihm kein einziges Alibi abgenommen. Das Huhn in Orangensoße wurde kalt. »Ich fürchte, die denken, du willst mich decken.« – »Jetzt sieh bloß nicht alles so schwarz, Ernesto. Die denken überhaupt nichts.« Das Problem war weiterhin, dass es keine anderen Verdächtigen gab. Mit der Justiz wird es immer schlimmer: Die begnügen sich mit dem erstbesten Hinweis und stellen alle weiteren Nachforschungen ein. Die Tatsache, dass Ernesto der einzige Verdächtige war, stärkte unsere Position also nicht gerade. »Wir müssen uns andere mögliche Verdächtige ausdenken, lass dir was einfallen«, sagte ich. Leider kam dieser Vorschlag bei Ernesto gar nicht gut an. Immer käme ich mit meinen verrückten Einfällen, erwiderte er, das fehle noch, dass wir irgendwelche Dinge erfinden, die später bloß auf uns zurückfallen würden, so etwas komme für ihn überhaupt nicht infrage. Dem Gesicht, das er dabei zog, entnahm ich allerdings, dass er sich in dieser Hinsicht sehr wohl Gedanken machte. Darum hakte ich nach. »Hatte sie irgendwelche Feinde?« – »Nein, alle mochten sie gern.« – ›Bis auf die Nichte‹, dachte ich. »Wer hat ihre Sachen geerbt?« – »Keine Ahnung, die Eltern, nehme ich an, Kinder hatte sie keine.« – ›Aber eine Nichte‹, dachte ich. »Das heißt, nachdem in diesem Fall weder finanzielle noch sonst irgendwelche alten Rechnungen infrage kommen, bleibt nur noch die Möglichkeit eines Verbrechens aus Leidenschaft«, sagte ich. Es hörte sich an wie in einer Krimiserie im Fernsehen. »Und genau deshalb sieht es schlecht für mich aus«, sagte Ernesto hastig. »Weil du der einzige Verdächtige bist. Bei diesem Motiv muss es aber noch jemanden geben.« Die dritte Seite des gleichschenkligen Dreiecks. Die Dritte im Bunde. Oder die Vierte? Charo war die ideale Kandidatin. Sie mochte die Tote nicht, ein Teil von deren Geld fiel ihr

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