Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ganz die Deine

Ganz die Deine

Titel: Ganz die Deine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Piñeiro
Vom Netzwerk:
missverständliche Signale abgegeben. Grund dafür ist die Tatsache, dass dieses Gerät eigentlich für das Aufspüren von Fischen konzipiert ist, welche es auf seinem LCD-Bildschirm grafisch darstellt. Hierbei unterscheidet es nur zwischen Fischen kleinen, mittleren oder großen Formats. Als der Apparat die Leiche Alicia Sorias aufgespürt hatte, erschien auf dem Bildschirm viermal das Symbol für große Fische; in Kombination damit wurde ein kleiner Fisch angezeigt.

26
    Ernesto kehrte zurück. Womit sich Frage drei der dritten Variante meines Schaubildes erledigt hatte. An diesem Montag kam er um fünf Uhr nachmittags zur Tür herein und begrüßte mich: »Hallo Inés!« Er kam zu dem Sessel, in dem ich saß, und küsste mich auf die Wange. Vorher stellte er den Koffer ab. »Da ist eine Unmenge schmutziger Wäsche drin«, sagte er. ›Und das Mieder von deiner Süßen soll ich am besten auch gleich mitwaschen‹, sagte ich zu mir. Er bat um Verzeihung, weil er nicht mehr im Duty-free Station gemacht und mir etwas mitgebracht hatte. »Lali hatte ich ein Parfum versprochen, aber ich war einfach zu kaputt und wollte bloß noch nach Hause.« – »Reichlich zu tun gehabt, stimmts?« – »Du kannst es dir gar nicht vorstellen … « Mehrfach war ich nahe daran, ihn zu unterbrechen, um ihm mitzuteilen, dass die Leiche gefunden worden war, aber sobald ich meinen Mut zusammengenommen hatte, fing er mit etwas Neuem an. Er fragte nach Lali – nach ihr fragt er immer. »Keine Ahnung, sie war das ganze Wochenende im Ferienhaus ihrer Freundin. Angerufen hat sie nicht. Deshalb nehme ich an, es geht ihr gut, sonst hätte sie sich bestimmt gemeldet, glaubst du nicht?« No news, good news – Mama hasste diesen Spruch. Was meinen Papa anging, war er aber auch der reinste Witz. Ernesto redete weiter, fragte lauter Sachen, wie Ehemänner sie eben so fragen, wenn sie von einer Reise zurückkommen: Hat wer angerufen? Wie war das Wetter hier? Und so weiter. Und so fort. Nur nach dem Hund fragte er nicht, aber wir haben ja auch keinen. Dass er nichts, aber auch gar nichts als Gemeinplätze von sich gab, verunsicherte mich. Ich hatte mich das Wochenende über auf alles Mögliche eingestellt: dass er zurückkäme, um wortlos seine Sachen zu packen und auf Nimmerwiedersehen davonzugehen; oder dass er noch in der Tür erklären würde: »Ich habe mich in jemand anderen verliebt.« Oder dass er überhaupt nicht mehr zu Hause erscheinen würde. Stattdessen absolute Normalität – darauf war ich nicht vorbereitet. Ernesto verhielt sich genau so wie immer, was mich auf den Gedanken brachte, dies sei wohl kaum das erste Wochenende gewesen, das er mit einer heimlichen Geliebten verbrachte, sei es Charo oder eine andere. Und im nächsten Schritt sah ich es noch klarer: Wenn es früher schon vorgekommen war, war das nur gut so, denn es besagte, dass unsere Ehe mehr zählte als seine gelegentlichen hygienischen Eskapaden. Denn wie hätte man sie anders bezeichnen sollen? Manche gehen für drei Tage in ein Wellness-Hotel und lassen sich durchkneten, andere versuchen es mit Entgiftungskuren, Schlammpackungen oder Auflagen aus Schildkrötenplazenta. Da sind die Geschmäcker verschieden. Ernesto benötigte offensichtlich eine andere Art von Entladungen. Wer ist so frei von Sünde, dass er behaupten könnte, derlei sei schlimmer, als sich dauerndem Stress auszusetzen, zu rauchen oder sich ständig den Magen voll zu stopfen? Von anderen Süchten gar nicht erst zu reden. Es gibt eben die verschiedensten Arten von Lastern. Das sollte man als Frau akzeptieren. Und Ernesto war trotz seines Lasters immer zurückgekehrt. Wie an diesem Montag. Endgültig bedient war ich, als er schließlich sagte: »Hast du daran gedacht, meinen grauen Anzug aus der Reinigung zu holen, Inés?« Das machte mich sprachlos. »Ich habe doch gesagt, dass ich ihn morgen unbedingt brauche, Inés!« Das war der Ernesto, den ich kannte. Mama hätte gesagt: »Das alte Lied, Kleine!« Aber sie sieht immer alles so negativ, sie hat einfach zu viel abgekriegt. Ich nicht. Ich, die ich gerade erst einen Flächenbrand in Gang gesetzt hatte, bekam es mit der Angst zu tun, als sich die Dunkelheit so unerwartet aufhellte und ich begriff, worauf es eigentlich ankommt im Leben.
    Ernesto machte sich einen Drink, setzte sich in den Sessel mir gegenüber und legte die Füße auf den Couchtisch, neben den himmelblauen Ordner, in dem ich mittlerweile die Presseausschnitte aufbewahrte, die am

Weitere Kostenlose Bücher