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Ganz die Deine

Ganz die Deine

Titel: Ganz die Deine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Piñeiro
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möglicherweise als Erbe zu, und sie hatte ein Techtelmechtel mit dem Liebhaber ihrer Tante, die die Geliebte meines Ehemanns war. Perfekt. Ernesto brauchte bloß zwei und zwei zusammenzählen und das Ergebnis bekannt geben. Aber so gut war er nicht in Mathematik, wie sich herausstellte: »Alle wussten, dass es in Alicias Leben keine anderen Männer gab«, sagte er bedeutungsschwer. Allmählich fing ich an, mir Sorgen zu machen. Ernesto brauchte nicht bloß viel zu lange, um zu begreifen, worauf es jetzt ankam, sondern er setzte auch »alle« gleich mit den beiden Damen, die gegen ihn ausgesagt hatten. »Wir können uns noch so viele andere Männer ausdenken, niemand wird uns glauben«, fuhr er fort. Da unterbrach ich ihn, auf die Gefahr hin, allzu deutlich zu werden: »Dann erfinden wir eben eine Frau.« Ernesto sah mich erstaunt an. »Eine Frau, die so verrückt nach dir ist, dass sie imstande wäre, Alicia deshalb aus dem Weg zu räumen.« – »Das ist doch Wahnsinn«, entgegnete Ernesto. »Jemand, der imstande ist, dir Briefe zu schicken, die er mit ›die Deine‹ unterschreibt«, sagte ich. »Du hast in meinen Sachen geschnüffelt«, wagte er mich zu unterbrechen. »Jemand, der dich nackt fotografiert hat.« – »Inés, das gibts doch wohl nicht!« – »Jemand, der bereit ist, mit dir übers Wochenende nach Rio zu fahren.« – »Kommt überhaupt nicht infrage.« – »Man braucht das bloß alles zusammenzuschreiben, die Fotos dazuzutun, in einen Umschlag zu stecken und das Ganze an die richtige Stelle zu schicken.« – »Nein«, sagte Ernesto nochmals, klang aber nicht mehr ganz so überzeugt. Daraufhin sagte ich abschließend – und dem war wirklich nichts mehr hinzuzufügen –: »Warst du bereit, für sie ins Gefängnis zu gehen?«
    Ernesto antwortete nicht.
    »Wie stellst du es dir denn vor?«, fragte ich, wohl wissend, dass er keine Antwort darauf hatte. Ernesto sah mich weiter wortlos an.
    Da ließ ich es sein.
    Nein, Ernesto wäre dazu nicht imstande.

29
    »Acht zwei fünf, acht drei acht drei.«
    »Ja?«
    »Entschuldigung, ist Guillermo da?«
    »Einen Moment, wer ist da, bitte?«
    »Lali.«
    »Ah ja, Sekunde.«
    » … «
    »Hallo.«
    »Hallo, Guillermo, entschuldige die Störung, ich bin das Mädchen von neulich abends, am Busbahnhof … «
    »Ja, ich weiß, wer du bist. Gut, dass du anrufst!«
    » … «
    »Wie gehts denn so, Kleine?«
    »Gut.«
    »Gut?«
    »Na ja, mehr oder weniger.«
    »Rufst du von zu Hause an?«
    »Ja.«
    »Na also. Das ist gut. Sehr gut.«
    »Nee, eigentlich bin ich in einer Telefonzelle, in einem Einkaufszentrum, aber heute Abend gehe ich nach Hause.«
    »Gut, ausgezeichnet.«
    » … «
    » … «
    »Ich ruf an, weil ich ein Problem habe.«
    »Wenn es bloß ein Problem ist, ist es jedenfalls besser als neulich!«
    »Lach doch mal, das tut dem kleinen Stürmer gut.«
    » … «
    »Siehst du, so gefällts mir. Jetzt erzähl mal, was gibts denn?«
    »Mein Bauch wird immer so hart, superhart, und dann hört es wieder auf. Ich hab gedacht, ich weiß nicht, also vielleicht weiß deine Frau, was das sein kann.«
    »Willst du mich verarschen, Kleine?«
    »Nein, wieso?«
    »Das sind die Wehen. Ist es denn schon so weit?«
    »Keine Ahnung.«
    »Du verarschst mich … «
    » … «
    »Was hat denn der Arzt gesagt?«
    »Nein, ich … ich war bis jetzt noch bei keinem Arzt.«
    »Das Schlimmste ist, du verarschst mich gar nicht … «
    » … «
    »Also, jetzt bleib, wo du bist, ich hol dich ab und bring dich ins Krankenhaus.«
    »Ins Krankenhaus?«
    »Ja wo willst du dein Kind denn bekommen, Kleine?«
    »Heißt das, es kommt vielleicht jetzt schon?«
    »Weiß ich auch nicht, ich bin bloß Vertreter, ich verkaufe Reißverschlüsse und so was, Kleine, aber für alle Fälle bringe ich dich jetzt ins Krankenhaus. Gib mir mal die Adresse von dem Einkaufszentrum.«
    » … «
    »Hallo … «
    » … «
    »Hallo!«
    » … «
    »Die ist ja total verrückt. Sie hat aufgelegt!«

30
    Alicias Leichnam wurde aus dem Kühlfach genommen und auf den Tisch gelegt. Ein kleines Pappschild bescheinigte ihre Identität, so wie sie einige Tage zuvor durch Analyse des Gebisses bestätigt worden war. Das Medaillon mit ihren Initialen und dem Geburtsdatum war dafür nicht ausreichend gewesen, zumindest aus rechtsmedizinischer Sicht. Für andere dagegen sehr wohl: Alicias Vater wusste genau, dass sie es war. Ihre Mutter auch. Charo, Ernesto und Inés ebenso, obwohl sie das Medaillon nicht zu sehen bekommen

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