Ganz, nah!
Leigh.
Brennas Blick glitt zweifelnd zu Leighs Händen, die sie so fest verschränkt hielt, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ertappt löste Leigh sie. »Ich habe Joe O’Hara mit dem Rezept in die Apotheke geschickt. «
Leigh brauchte einen Moment, ehe ihr klar wurde, dass Joe O'Hara ihr neuer Chauffeur und Leibwächter war. Sie hatte im Chaos der letzten Tage nicht nur seinen Namen vergessen, sondern überhaupt nicht mehr daran gedacht, dass Matt und Meredith Farrell darauf bestanden hatten, ihn ihr zu überlassen, als sie ihre Weltreise antraten. Er wohnte nach wie vor in der New Yorker Wohnung der beiden, fuhr Leigh jedoch in der Limousine der Farrells herum und passte auf sie auf.
»Er ist übrigens ein wenig aufgebracht darüber«, fügte Brenna seufzend hinzu, »dass wir ihn nicht gebeten haben, den Blazer gestern zu fahren. «
Resigniert hob Leigh die Hände. »Ja, das wäre sicher eine gute Idee gewesen. Ich habe einfach vergessen, dass es ihn gibt. «
»Wenn Sie mich fragen«, warf Hilda ärgerlich ein, »dann kennt der Mann seinen Platz nicht. Er soll Sie fahren, wenn Sie es möchten, und nicht, wenn er es für richtig hält. « Wütend klapperte sie mit den Töpfen. »Schließlich ist er nur ein Chauffeur. «
Beschwichtigend erwiderte Leigh: »Ich verstehe Ihre Auffassung, Hilda, aber er ist es eben nicht gewöhnt, >nur ein Chauffeur< zu sein. Er arbeitet seit Jahren für die Farrells, und sie betrachten ihn als Familienmitglied. Sie haben ihn gebeten, sich um mich zu kümmern, während sie weg sind, und das nimmt er wahrscheinlich sehr ernst, vor allem jetzt, wo... wo alles so chaotisch ist. « Sie brach ab, weil sie hörte, dass der Aufzug kam. Nervös erhob sie sich halb von ihrem Stuhl, als die Tür aufflog und Joe O’Hara eintrat.
»Entschuldigung, ich hätte wahrscheinlich klopfen sollen«, sagte er. Er trug einen dicken schwarzen Mantel und hatte den Kragen bis über die Ohren hochgeschlagen.
Er war ein stämmiger Mann mit breiten Schultern, ungefähr eins achtzig groß und mit dem wiegenden Gang eines Grizzlybärs. Sein Gesicht sah aus, als sei er früher Profiboxer gewesen. Hilda jedoch ließ sich von seiner Erscheinung nicht abschrecken. Sie warf ihm einen finsteren Blick zu und fuhr ihn an: »Kommen Sie bloß nicht in meine Küche, ohne sich die Schuhe abzuputzen. «
O’Hara zuckte nur mit den Schultern. Mit einem Blick auf seine offensichtlich sauberen, glänzend polierten Schuhe zog er seinen Mantel aus und hängte ihn in den Schrank. Dann trat er auf Leigh zu und reichte ihr eine kleine weiße Tüte aus der Apotheke. »Mrs. Manning«, sagte er ruhig, »mir ist klar, dass Sie mich nicht kennen und dass Sie wahrscheinlich gerade in Zeiten wie diesen keinen Fremden um sich haben wollen, aber sowohl Ihr Mann als auch Matt Farrell haben mir aufgetragen, mich um Sie zu kümmern und dafür zu sorgen, dass Ihnen nichts geschieht. «
Leigh musste den Kopf in den Nacken legen, um ihn anzusehen, und da ihr dabei der Nacken schmerzte, forderte sie ihn mit einer Geste auf, sich zu setzen. »Sie haben mich nur erschreckt, als Sie gerade hereingekommen sind«, erwiderte sie. »Es hat nichts damit zu tun, dass ich Sie nicht hier haben möchte. «
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, erklärte er und ließ sich auf einem Stuhl nieder, der viel zu klein für seine massige Gestalt zu sein schien. »Aber ich muss Ihnen sagen, wenn ich Sie am Sonntag in die Berge gefahren hätte, dann säßen Sie jetzt nicht hier und müssten die Zähne zusammenbeißen, damit niemand merkt, was für Schmerzen Sie haben. «
»Vielen Dank, dass Sie meine Anstrengung für überflüssig halten«, erwiderte Leigh ironisch.
Der Chauffeur ließ sich jedoch von ihrer Bemerkung nicht beeindrucken. »Gestern hätten Sie mich anrufen sollen, damit ich Sie fahre. Es wäre meine Aufgabe gewesen, Sie zu fahren. Sie hätten irgendwo im Schnee stecken bleiben können. «
»Das ist aber nicht passiert«, warf Brenna ein.
»Ja, zum Glück nicht, aber was hätten Sie gemacht, wenn es anders gewesen wäre? Wären Sie dann losgelaufen, um Hilfe zu holen, und hätten Mrs. Manning im Wagen zurückgelassen? «
»Es ist ja alles gut gegangen«, fuhr Hilda ihn an.
Unbehaglich beobachtete Leigh den Streit zwischen ihren Bediensteten. Als plötzlich Logans Telefon klingelte, sprang sie auf und nahm selbst ab. »Hallo«, stieß sie atemlos hervor.
Die männliche Stimme am anderen Ende der Leitung war tief und klang fremd.
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