Ganz normal verpickelt (German Edition)
seinem Schoß, klärte der Gute mich auf: „Ich hatte früher schwere Akne. Wusstet ihr das eigentlich?“
Ich glotzte ihn dümmlich an. Vermutlich sehr dümmlich, was ich nicht gern zugebe. „Also, Böwi, nichts für ungut. Aber es stellt sich mir immer noch die Frage, wieso dieser bekloppte Neurotiker hier so unappetitlich ausrastet wegen seines beschissenen Pickels auf seinem Zinken. So was, Freunde, nenne ich nämlich cholerisch. Du gehörst in Behandlung, Wurstgesicht.“
H.J. reagierte nicht. Er war wohl eingenickt. Böwi nippte leicht unlustig an seinem Bier. Verständlich, ihm fehlte der rechte Kick. War ja nichts Hochprozentiges. (Wieso bin ich eigentlich so verdammt fies?) Dann räusperte er sich. „Akne.“ Eine feierliche Feststellung. „Hab wie ein Hund gelitten. War ja nicht schon genug gestraft.“
Ich musterte ihn eingehend. Dann wanderte mein Blick zu H.J. Provokant intensiv. Stechend. „Gestraft sind wir irgendwie alle. Besonders der hier.“
Hermann-Josef (erwacht, wie fein!) sah mich an, als wollte er mir augenblicklich an die Kehle. Komm nur, trau dich! Flachwichser. Mutter Böwi kam ihm zuvor. „Bei mir sieht man das immer noch.“ Ich inhalierte tief. Ein guter Zug. Böwi hustete kurz. Dann. „Wenn man genau hinschaut.“ Ach Böwi! Ich nickte anerkennend. Ganz warm wurde mir in diesem Moment ums Herz. Bei so viel Offenheit. Das erklärte mir auch endlich die mysteriöse Herkunft der unzähligen komischen kleinen Löcher in Böwis Gesicht. Akne. Natürlich. Ich hatte eher an eine üble Laune der Natur gedacht. Böwi ist ja nun kein Vorzeigeprodukt der Genetik, ganz objektiv betrachtet, da kann man durchaus vermuten, dass er die von irgendeinem hässlichen polnischen Vorfahren gerbt hat (das geht jetzt nicht gegen den Polen an sich!).
Da hat Böwi also über Jahre hinweg seine Pickel brutal beackert. Weggekratzt. Dieses Tier. (Meine Mutter hätte mir vermutlich die Fingernägel gezogen. Ohne Betäubung!) Unser kleiner Selbstzerstümmler hat natürlich keine Zeit damit verplempert, die klaffenden Wunden mit Zahnpasta zu verspachteln. Pickelcreme? Im Leben nicht. Männer brauchen keine Salben. Weiberkram. Höchstens einen richtig schön fetten Verband. Der macht was her, der sieht nach Kriegsverletzung aus.
Ich atmete tief durch und genehmigte mir noch einen. Der kleine dicke Böwi. Verkannt, versoffen und verraten. Verpickelt auch noch. Ich seufzte ihm mit meinem Wodka zu. Er hatte es verdient.
Unser Männerabend in Ullas Pinte ging relativ wortlos aus. Wurstgesichts Wut auf seinen Pickel blieb ein Mysterium, und Böwi brach sich auf dem Klo den kleinen Zeh am linken Fuß. Den Aufruhr hatte ich selbst nur am Rande mitbekommen, weil meine Zunge irgendwann im Mund der drallen Blonden steckte. Mehr ist nicht passiert. Ich wachte am nächsten Morgen neben Babba auf und fühlte mich normal. Meine nüchterne Erkenntnis irritierte mich kurzfristig, wich aber erstaunlich rasch einem durchaus faszinierenden Wohlgefühl. Warum bloß hatte ich mich dagegen gesträubt? Gesund normal zu sein heißt ja nun nicht, sich als lahmarschiges Durchschnittshirn durchs Leben zu denken. Man ist halt nur auf höchst anspruchsvolle Art normaler als der bekloppte Rest. Von dem ich mich wohl gottgegeben, und das sage ich in unverschnörkelter Deutlichkeit, seit meiner frühesten Kindheit aufs Bedrohlichste umzingelt sehe.
Wenn ich mal alles ordentlich zusammenfasse, könnte ich tatsächlich panisch werden. Denn es ist mein Prinzip der Vernunft, das mich einsam und unverstanden lässt in diesem Chaos wirrer Hirne. Wie hatte ich bei all meiner vorhandenen Menschenliebe annehmen können, dass organische Fettnäpfchen wie Ulrich Terbowen und Dr. jur. Hermann Kotterhoff denken und agieren können wie ich? Mit allen intellektuellen Raffinessen natürlich, die ich jedem mental perfekt durchstrukturierten Hochgeist zugestehe. Eben nicht. Und da liegt dann wohl auch mein Problem. Ich muss dieses kollektive Anderssein akzeptieren, um damit übergreifend umgehen zu können. Bei einer personifizierten Unlogik wie Babba könnte ich im Kleinen damit anfangen. Babba, beispielhaft am Rande erwähnt, hat „so ungefähr wohl“ die gleichen Orgasmen wie ich. Kein Witz. Ich habe sie direkt darauf angesprochen, weil mich das schon allein auf wissenschaftlicher Basis beschäftigt, wie das eigentlich konkret so bei ihr, sozusagen repräsentativ, abläuft da unten, und sie hat völlig ernst gesagt: „So ungefähr wohl wie bei dir
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