Ganz normal verpickelt (German Edition)
Müttern, um ihre psychisch labilen Kinder so richtig schön fertigzumachen. Und dann: „Wie konntest du uns das antun?“ Ja, wie konnte der böse Böwi nur?
Ich linste zu Böwi hinüber, registrierte missbilligend, wie er sich hastig einen Kurzen hineinkippte, sich niedlich zuckend schüttelte und hickte. Ein Schwulen-Rülpser, denke ich. Böwi trinkt eindeutig zu viel. Vermutlich Verdrängungssaufen. Der ganze Scheiß hat ihn in den Verzweiflungssuff getrieben. Permanente Schuldgefühle, Identitätsprobleme, kennt man ja. In diesem Moment mache ich mir ernsthaft Sorgen um Böwis Patienten. Hängen da verloren im Stuhl eines bedauernswerten Psychopathen und sind auf Verdeih und Verderb seinem kranken Kopf ausgeliefert. Ich hab mich immer schon gefragt, warum Böwi eigentlich nicht promoviert hat. Ich mein, solch ein Doktortitel sollte sein, wenn man schon Medizin studiert hat, sonst nimmt einem ja keiner den echten Arzt so richtig ab. Meine Großmutter beispielsweise wäre nie im Leben zu einem Zahnarzt gegangen ohne Doktor davor. Ihr Apotheker musste übrigens auch einen haben, sonst löste sie erst gar kein Rezept ein. Wer weiß, was für Giftmischungen so einer einem gegeben hätte, der zu faul und zu blöd war, um einen lächerlichen Aufsatz über Hustensaft oder Herzkatheder zu schreiben?
Böwi, das wurde mir blitzartig an diesem Abend in Svens Stöfchen klar, hatte nicht promoviert, weil sein Seelenmüll und sein Saufen und sein Schwulsein (gehört ja alles zusammen) ihn derart Profanes nicht mehr geregelt haben kriegen lassen. Ein träger, trauriger Sack also, sachlich gesprochen. Und eine (haha!) ganz und gar tragische Figur.
Natürlich tat Böwi mir leid. Aber ich sah wirklich keinen Grund, jetzt loszuflennen. Ich fühlte mich weder zutiefst betrübt noch sonderlich beschämt, was Hermann-Josef natürlich gern so gehabt hätte. Außerdem reichte dessen infantil bedröppelter Gesichtsausdruck für zwei.
„Und?!“ Das war Wurstgesicht.
„Was und?“ Das war ich. Der Typ ging mir mächtig auf die Nerven.
Hermann-Josef zuckte betont gleichmütig mit den Schultern. Affiges Zickengetue. „Wenn du meinst, dass du dazu nichts zu sagen brauchst, bitte sehr, dann sage eben nichts. Lach dir weiterhin ein Bein ab, Jochen, was anderes wird von dir auch mit Sicherheit nicht erwartet. Die Probleme anderer gehen dir ja wohl so was von am Arsch vorbei. Hast du nichts mit zu tun, du nicht. Aber frag mich doch mal, wie das so war, so als einziges Arbeiterkind unter euch arroganten Saftsäcken, denen alles hinten reingeschoben wurde. Wie viele von euch versnobten Sackgesichtern sind auf die Schnauze gefallen, weil sie zu blöd waren, selbständig den Finger aus dem Hintern zu ziehen? Aber ich, ich nicht. Hab’s euch allen gezeigt. Ohne diese verdammten Privilegien.“ Die gesellschaftskritische Sozialkacke von Hermann-Josef kommentier ich jetzt nicht, die hängt mir zu den Ohren raus. Seine Geschichte! Gott, wie einmalig! Ich gähnte gelangweilt. Extra. „Große Güte, ja, kennen wir.“ Hermann-Josef kniff seine unschönen Augen zusammen. Wirf den Handschuh, Kumpel, schmeiß ihn hin. „Es lohnt sich wirklich nicht, mit dir über so was zu sprechen, Jochen. Lass gut sein. Vermutlich fällt dir jetzt auch wirklich nichts mehr ein.“
Ich hätte ihn am liebsten mit einem einzigen privilegierten Fußtritt von seinem Hocker gekickt. Mit mir nicht, Freund Arsch. „Doch.“ Ich ließ mein Zippo aufschnappen. Knallhart gutes Männergeräusch. Schmaläugig, schmallippig fixierte ich den Deppen mit der Kippe im Mundwinkel. Jochen Eastwood, Halleluja. „Verrat mir mal, was das alles jetzt eigentlich mit dem Pickel auf deinem Zinken zu tun hat.“
Hermann-Josef schüttelte seinen hässlichen Kopf, als wollte er mich aus seinem Hirn schmeißen, griff nach seinem Glas und schüttete den Inhalt in einem einzigen Gewaltschluck in seinen Mund. Weil er alles nicht in einem Zug hinunter bekam, wurden seine Backen ganz dick, und ich hätte gern mit den Fingern hineingepiekt, um das Bier wieder rauszudrücken. Dann hätte er aber die ganze Sauerei über meine Jacke gerotzt, also ließ ich es. Für ihn war unser Gespräch offensichtlich beendet.
Für Böwi nicht. Mit kleinem feinem Stimmchen meldete sich mein schwuler dicker Freund zurück, grad so als hätte er im Leben noch nie wie ein echter Kerl gesprochen. Armer Böwi, war tief gesunken nach seiner Offenbarung. Gesenkten Hauptes, mit ineinander verknubbelten Händen in
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