Ganz oder gar nicht (German Edition)
nicht! Natürlich hätte ich auch hier zu mir sagen können: »Lothar, bist du wahnsinnig! Nach vier Monaten heiraten? Kann das gut gehen?« Warum nicht? Ganz oder gar nicht.
Ist man in einer mitunter verlogenen und sinnentleerten Welt auf der Suche und trifft dabei seine Entscheidungen meist aus dem Herzen, läuft man nun mal Gefahr, häufiger zu scheitern als andere. Ich bin häufiger gescheitert. In der Ehe wie im Fußball. Wobei meine privaten Niederlagen die schlimmsten waren, die ich je erlebt habe, schlimmer als jeder verpasste Pokal.
Meine Prinzipien habe ich deswegen nicht geändert. Selbst dann nicht, wenn ich merkte, dass mein Vertrauen ausgenutzt wurde oder Ausgebufftere auf Traumposten gelandet sind. Auch über die Kollision meiner Werte und Prinzipien mit den Regeln dieser Branche und den Ansprüchen mancher Lebensgefährtin werde ich in diesem Buch schreiben.
SEHNSUCHT NACH RUHE
In den letzten Jahren wurde ich von einer großen Sehnsucht getrieben. Damit meine ich nicht so sehr die Sehnsucht, im Privaten endlich anzukommen, ein letztes Mal zu heiraten, noch einmal Vater zu werden und einen Ruhepol zu finden. Die Sehnsucht hieß, endlich meine Qualitäten als Trainer auch in meiner Heimat zeigen zu können. Im Ausland hatte der Weg meiner Mannschaften ja auf unterschiedlichste Art und Weise meist nach oben geführt. Neben den sportlichen Erfolgen in den Meisterschaften und Pokalwettbewerben und trotz aller unrühmlichen Schlagzeilen habe ich in Österreich, Serbien, Israel und Ungarn vor allem stabile Fundamente hinterlassen. Ich entdeckte viele neue Talente, die heute Nationalspieler sind oder im Ausland unter Vertrag stehen. Die Jungs hatten Respekt vor mir und vertrauten sich mir an, als sei ich ihr Vater. Das macht mich stolz und zufrieden. Ich konnte dabei viel lernen. Auf meinen Trainerstationen begegnete ich den unterschiedlichsten Mentalitäten und entwickelte ein Gespür dafür, wie man mit Spielern individuell umgehen muss. Gerade bei den Multikultimannschaften von heute sind solche Erkenntnisse extrem wichtig. Auch in Deutschland.
Nur hat es in dem Land, in dem ich mit neun Jahren meinen Spielerpass erhielt, mit 18 in die erste Bundesliga wechselte, sieben Meistertitel errang und zweimal den DFB-Pokal hochhielt, für das ich sowohl Weltmeister als auch Europameister wurde, bisher nicht hingehauen. Ich sage nicht, dass es ungerecht ist, in Deutschland noch keinen Trainerjob bekommen zu haben. Vielleicht traut man sich nicht, weil ich zu sehr polarisiere, vielleicht hat man Angst vor dem starken Fokus, der auf mir liegt, oder man ist voreingenommen aufgrund der Geschichten, die aus meinem Leben an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Ich werde in diesem Buch erzählen, wie trotz alledem viele Manager und Präsidenten mit mir redeten und welche Umstände im letzten Moment dazu führten, dass doch nichts daraus wurde.
Inzwischen hat sich meine große Sehnsucht gelegt. Auch weil ich der Bundesliga zumindest zurzeit keine großen Experimente zutraue. Ich habe das Gefühl, dass sich die Liga aus einem Karussell mit 25 Trainern bedient. Fliegt einer raus, kommt direkt der nächste Altbekannte. Man verlässt sich auf die Trainer, die man kennt. Egal wie mittelmäßig oder wie erfolglos. Egal wie oft abgestiegen oder rausgeschmissen. Michael Skibbe wird aus Erfolglosigkeit in Frankfurt entlassen, fünf Monate später ist er Cheftrainer bei Hertha BSC Berlin und überlebt dort gerade mal sechs Wochen. Auf ihn folgt mit Otto Rehhagel ein über Siebzigjähriger, der trotz seiner großen Verdienste auch nicht imstande ist, den Klassenerhalt zu schaffen. Das sind Beispiele einer merkwürdigen Personalpolitik in einem millionenschweren Business, über die nicht nur ich, sondern längst auch Spieler und Fans die Stirn runzeln. Der Fußball kann doch nur profitieren von neuen Leuten, von anderen Gesichtern, von charismatischen Trainern, die auch mal polarisieren. Wenn ich immer nur auf denselben Personalpool zurückgreife, kann sich kaum etwas verändern.
Aus diesen Gründen habe ich meinen Wunsch vielleicht nicht begraben, aber doch losgelassen, damit er meinem Lebensglück nicht mehr im Wege steht.
DIE MEINUNG DER ANDEREN
Klar könnte ich spekulieren: Hätte ich meine Karriere in München beendet, wäre ich heute Trainer vom FC Bayern. Aber ich bin kein Typ, der Dinge aus der Vergangenheit lange mit sich herumschleppt und sein Herz dadurch schwer werden lässt. Ich habe nie lange gefeiert und mir
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