Garan - Der Ewige
unschuldig dreinblickenden Augen täuschten mich nicht. Aber trotz all seines sorglosen Geschwätzes und seines Leichtsinns war Anatan mir immer absolut treu ergeben gewesen, und ich hatte keine Sorge, daß er mich jetzt verraten würde. Es gab niemanden, den ich mehr haßte als Kepta von Koom, der die Macht besaß, mich auszulöschen wie ein Insekt, und der mich sehr rasch seine Macht spüren lassen würde, sollte er jemals die wahre Natur meiner Gefühle für ihn argwöhnen.
In jedem Obstkorb gibt es eine Frucht, die weicher ist und schneller zu verfaulen droht als die anderen; und diese eine Frucht wird, wenn man sie nicht entfernt, mit der Zeit alle anderen Früchte verderben. In meinen Augen war der Lord von Koom die verfaulte Frucht unter den Gelehrten. Er verkehrte nicht viel mit den übrigen seiner Kaste, sondern hielt sich meist in der riesigen schwarzen Steinzitadelle seiner dunklen Stadt auf und führte dort in den Laboratorien tief unter der Erdkruste von Krand geheime Experimente durch. Worin diese Experimente genau bestanden, wußte selbst von den Gelehrten keiner zu sagen, aber ich hatte den Verdacht, daß es keine angenehmen Experimente waren. Jedes Wissen hat eine dunkle und eine lichte Seite, und wenn die Gerüchte auf Wahrheit beruhten, dann hatte sich Kepta weit öfter der dunklen Seite zugewandt als der hellen. Ich hatte mancherlei Geschichten gehört und war auch einer oder zweien nachgegangen. Doch was konnte ich tun? Lord Kepta war ein Gelehrter von Geburt, und ich war ein Staatsmündel, das durch die Gunst des Kaisers zu Ruhm und einer hohen Position gekommen war. Wenn mir daran lag, beides zu behalten – und wenn mir mein Leben lieb war –, dann würde es gut für mich sein, solche vagen Geschichten zu vergessen.
Kepta war sehr beliebt bei den Offizieren einer gewissen Rangstufe in meinem Korps. In Zeitabständen gab Kepta großzügige Einladungen, und seine Geldbörse stand jenen, die in finanziellen Schwierigkeiten waren, jederzeit offen. Aber in meinen Augen sah es so aus, als sei ihn nur daran gelegen, sich so viele Soldaten wie möglich zu verpflichten. Ich entschuldigte mich stets höflich mit dringenden Pflichten bei seinen häufigen Einladungen, und unter meiner Anleitung hielten Anatan und die besseren unter seinen Kameraden es ebenso.
Es kam jedoch nicht oft vor, daß der Lord von Koom seine hohe Festung verließ. Er zog es vor, die Leute zu sich zu holen, statt sie außerhalb seiner Festung zu besuchen. Aber während des letzten Monats waren die Gelehrten in Yu-Lac zusammengetroffen, und zweifellos hatte man auch ihn zur Versammlung beim Kaiser gerufen.
Wenn er kam, um seinen Platz unter den Edlen einzunehmen, so hatte man ihn doch nicht so früh erwartet, so viel wußte ich. Als Kommandant des Flughafens von Yu-Lac war mir sein Kommen nicht angekündigt worden, damit ich unter den Reise- und Vergnügungsschiffen des Kaiserlichen Haushalts einen Landeplatz freihalten konnte für Keptas Privatschiff. Seine plötzliche Ankunft bedeutete Ungutes für jedermann, dachte ich ärgerlich.
Ich schnallte meine juwelenbesetzte Schuppenrüstung fest, die eher für zeremonielle als für Verteidigungszwecke gedacht war, und gürtete meinen Schwertgurt um. Dann nahm ich von Anatan meinen silbernen Kriegsmantel entgegen und verließ meine Wohnung.
Die Rampe, die von meinen Privaträumen zu den Amtszimmern führte, wand sich um den Mittelschacht des kegelförmigen Turmes und glich einer anmutigen, wenn auch steilen Spirale. Die Wände waren mit Jagd- und Kriegsszenen bemalt. Hier und da waren Sichtspiegel in die glatte, bemalte Oberfläche eingelassen, so daß der Vorübergehende jeden beliebigen Teil des großen Militärdepots, dessen Mittelpunkt der Turm war, überblicken konnte.
Ich erhaschte einen Blick auf eine Truppe, die vom Ausritt zurückkehrte. Die Männer ritten locker auf ihren schuppenhäutigen Grippons, die dem Stall entgegenstrebten, die schweren Schwänze durch den Staub des Paradehofes hinter sich herziehend. Nur zwei solcher Truppen existierten noch; heutzutage wurden sie nur noch als Wache für den Kaiser eingesetzt.
*
Die Kaufleute hatten als erste die Vorteile der Luftfahrt demonstriert.
Denn weite Gebirgsgegenden und unser mit Inseln durchsetztes Meer machten Reisen zu Land und zu Wasser mühsam. Das Militär war dem Beispiel bald gefolgt. Infanterie und Grippon-Truppen wurden rasch abgeschafft, und innerhalb einer Dekade hatte die Luftwaffe ihre Position
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