Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
Kraulen. »Keine Pause«, sagt Peter, der Trainer, und lobt: »Sie hat ein sehr gutes Wassergefühl. Sie kommt viermal die Woche, das merkt man schon.« Lucy Kunz stammt aus Amerika, hat Kunstgeschichte studiert, ihren Mann hat sie in München kennengelernt, bei einer Ausstellung. Roland Kunz ist Firmenbetreuer bei der Hypo Vereinsbank, sie haben drei Söhne.
Vor fast zehn Jahren hat sie die Diagnose bekommen. Eigentlich sind die Prognosen sehr schlecht, bei dieser Art von Krebs. Eigentlich müsste sie seit sieben Jahren tot sein, sagt einer ihrer Freunde aus der Schwimmergruppe. Auch er glaubt, dass es ihr so gutgeht und sie noch so fit ist, liegt daran, dass sie keinen Zucker mehr zu sich nimmt. Sie ist sogar so fit, dass sie in ihrer Wettkampfkategorie und Altersklasse Medaillen gewinnt, und zwar viele. Diese sind fein säuberlich aufgereiht, im Arbeitszimmer unter der Dachschräge.
Ihre persönliche Bilanz:
120 Medaillen
4-mal Weltmeister
2-mal Vizeweltmeister
38-mal Bayerischer Meister
14 Operationen
191 Tage Chemotherapie
Die Krankheit wurde bemerkt, weil Lucy Schmerzen hatte. Die Ärzte stellten fest, dass die Tumormarker erhöht waren und schnell weiter stiegen. Es wurde gleich operiert. Befallen waren damals nur die Eierstöcke. Keine Metastasen. Ein Jahr später, Lucy Kunz lag auf dem Rasen bei einem Schwimmwettbewerb, da spürte sie etwas am Oberkörper, unterhalb der Schulter. Sie zeigt die Stelle. »So groß wie eine Papaya.« Statistisch liegt die Überlebensrate in Fällen wie ihrem bei wenigen Jahren. »Meine Cousine ist an Eierstockkrebs gestorben. Sie hat nicht mehr als fünf Jahre gelebt.« Bis jetzt hält sie den Krebs in Schach, indem sie ihm seine Lieblingsspeise vorenthält, den Zucker. Sie weiß: »Wenn ich einen Kuchen oder ein Eis esse, dann füttere ich damit die Krebszellen.« Ihr Mann macht jetzt auch mit, wenngleich nicht so streng. Er ist ja gesund.
Es war ein Glück für Lucy, dass sie von dieser Methode erfahren hat, an der ganz in der Nähe eine junge Wissenschaftlerin arbeitet: Ulrike Kämmerer, Professorin an der Universität Würzburg. Sie forscht über Krebs, und sie will das Übel an der Wurzel packen. Pro Jahr erkranken 400 000 Menschen allein in Deutschland an Krebs. Krebs wird bald zur Todesursache Nummer eins. Und die Medizin ist in einer Sackgasse, die neuen Medikamente werden immer teurer, das Medikament Avastin von Roche beispielsweise kostet 55 000 Euro jährlich, für jeden einzelnen Patienten. Dem Pharmakonzern bringt allein dieses Medikament 4,4 Milliarden ein, Jahr für Jahr. Den Menschen aber bringen solche Medikamente eher wenig, die Lebenszeit werde »um gerade mal vier bis acht Wochen verlängert«, klagte die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Und das bei schwersten Nebenwirkungen. »Die Krebsmedizin könnte schon bald das System sprengen«, prophezeite das Blatt.
Ulrike Kämmerer, die Krebsforscherin aus Würzburg, hat wissenschaftliche Artikel veröffentlicht, auch ein Buch, in dem sie ihre Erkenntnisse zusammenfasst: »Krebszellen lieben Zucker«. Von ihrem Turmzimmer in der Würzburger Universitätsklinik hat sie eine schöne Aussicht über die Stadt. Der Computer steht auf dem Schreibtisch vor dem Fenster. Blumen, Zimmerpflanzen, Regale voller Bücher, ein Rucksack liegt auf dem Boden.
»Wir brauchen keine Kohlenhydrate«, sagt Frau Kämmerer, streift sich einen blauen Kittel über und Handschuhe. Sie geht Krebszellen füttern, ins Labor, im Stockwerk darunter. An der Tür steht: »Genlabor Sicherheitsstufe 1 Bio II«. Fünf Zimmer voller Kühlschränke, Brutschränke, Mikroskope, Computer. An den Wänden hängen Fotos von Bergen und Seen. Sie setzt sich vor ein Labormöbel, nimmt eine Plastikflasche in die Hand. Darin eine Flüssigkeit, leicht pink gefärbt, mit rotem Verschluss. Eine sogenannte Zellkulturflasche, mit Eierstockkrebszellen. Etwa 2,5 Millionen von ihnen wachsen in der Flasche. »Tumorzellen wachsen unbegrenzt, immer wenn die Fasche voll ist, müssen wir sie trennen.«
»Wie lange brauchen sie, um sich zu verdoppeln?«
Kämmerer: »24 Stunden. Manche haben Verdoppelungszeiten, die sind noch kürzer. Deswegen ist Eierstockkrebs so aggressiv. Das hängt auch von den Fütterungsbedingungen ab.«
Sie geht zum Kühlschrank, Marke Liebherr, und holt das Futter. Verschiedene Plastikflaschen schimmern im weißen Kühlschranklicht. Sie nimmt eine orangerote Flasche heraus, mit dem Futter für die Krebszellen.
Sie spritzt das
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