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Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)

Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)

Titel: Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ulrich Grimm
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muss der Zwang gebrochen werden. Es geht um die Selbstbestimmung gegen den Terror des Süßen.
    Es ist natürlich die Frage, ob das die Kinder auch so sehen, ob sie genug innere Größe zeigen an der Kasse im Supermarkt, bei der Quengelware. Oder wenn es in der Kita Smarties gibt. Im Schwimmbad oder im Zoo an jeder Ecke ein Eis lockt. Da wäre es einfacher, wenn es das alles nicht gäbe, wenn zumindest der Druck nachließe, der Druck des Angebots und die allgegenwärtige Verführung, die Automaten, die Werbung. Für die Eltern wäre so etwas ein Glücksfall: kein Gequengel an der Kasse, kein Geschrei im Freibad. Es gibt kein Eis, weil es kein Eis gibt. Bis jetzt lastet die ganze Verantwortung auf den Einzelnen. Doch es wachsen auch die Bestrebungen, den Druck von den Leuten zu nehmen.
    »Die Umwelt muss sich ändern«, sagt Professor Kelly D. Brownell, Direktor des Zentrums für Ess- und Gewichtsstörungen an der Yale University im US-Bundesstaat Connecticut. Es klingt naheliegend und vernünftig: Ein Alkoholiker kann schließlich auch kaum inmitten von Bars geheilt werden. Brownell hat den Begriff der giftigen Nahrungsumgebung geprägt (toxic food environment). Für ihn existiert eine ursächliche Verbindung zwischen dem Umfeld und der grassierenden Fettleibigkeit. Die einzige Lösung bestünde in der Veränderung dieses Umfelds, sagt Brownell: »Als Gesellschaft haben wir zwei Möglichkeiten«, sagt er, »wir können einige tausend Jahre lang darauf warten, dass sich unsere Evolution unserer giftigen Umwelt anpasst. Oder wir können die Umwelt so verändern, dass sie uns nicht mehr krank macht.«
    Ein Pilotprojekt fand bereits statt, im Schwarzwald, es ist nur etwas in Vergessenheit geraten. In den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts machte der Zahnarzt Dr. Johann Georg Schnitzer in der 3000-Einwohner-Gemeinde Mönchweiler ein interessantes Experiment. Mit dem Einverständnis der Eltern wurden an der Schule des Ortes Süßwaren verboten. Die Bewohner des kleinen Dorfes stiegen auf Vollkorn um und bevorzugten ab sofort Obst gegenüber Zucker aller Art. Das Ergebnis: Nach fünf Jahren hatten die Ein- bis Dreijährigen überhaupt keine Karies mehr, und immerhin noch 86,5 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen waren kariesfrei. Bei den Sechs- bis Zehnjährigen war die Kariesquote um 31 Prozent zurückgegangen, bei den Zehn- bis 14-Jährigen um 36,5 Prozent.
    In deutschen Städten gilt so etwas heute als Dirigismus, sie wollen auch nicht in die Gewerbefreiheit der Kioskbesitzer und Automatenaufsteller eingreifen. Ausgerechnet in den Vereinigten Staaten aber, dem Hort der Freiheit, möchten jetzt viele Kommunen die Freiheit einschränken, an jeden und überall süßes Zeug zu verkaufen. Beim Rauchen haben sie es ja schon durchexerziert, wie rigide sie Freiheiten einschränken können, wenn es um die Gesundheit geht.
    Jetzt sind amerikanische Städte zu einem Feldzug aufgebrochen gegen Softdrinks und Fast Food. Natürlich wollen sie nicht den Kapitalismus abschaffen, auch nicht die Gewerbefreiheit. Aber sie erobern sich die Hoheitsrechte zurück im öffentlichen Raum, in der City, im öffentlichen Nahverkehr, in Schulen und Krankenhäusern, in Büchereien und Parks. In demokratischen Ländern hat ja eigentlich der Souverän, das Volk, die Macht, über die Lebensverhältnisse zu bestimmen, und die gewählten Institutionen in den Vereinigten Staaten nehmen das jetzt wieder ernst. Dort gibt es jetzt auch »Nahrungspolitik«, ja sogar »Getränkepolitik«. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg hat schon den »Krieg gegen Softdrinks« ausgerufen. Softdrinks mit mehr als 0,475 Litern dürfen dort nicht mehr verkauft werden, weder in Restaurants noch in Fast-Food-Ketten, auch nicht in Feinkostgeschäften, Kinos, Sportstadien oder von mobilen Essensverkäufern.
    Im Rahmen der »lokalen Getränkepolitik« haben viele kalifornische Kommunen wie etwa Carson, Long Beach und San Fernando in der Umgebung von Los Angeles exakte Vorschriften für Getränkeautomaten erlassen. Die 60 000-Einwohner-Stadt Huntington Park hat zum Beispiel vorgeschrieben, dass Getränkeautomaten in öffentlichen Gebäuden ausschließlich Wasser enthalten dürfen. In San Jose, eine Autostunde südöstlich von San Francisco, müssen mindestens 50 Prozent der Getränkeautomaten der Stadt natürliche Getränke enthalten, ohne Zuckerzusätze und Chemie.
    Die Kleinstadt Carmel-by-the-Sea, knapp 200 Kilometer südlich von San Francisco, hat sogar

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