Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
verfügt, dass Fast-Food-Restaurants und Drive-in-Restaurants in der Stadt verboten sind.
Im Schulbezirk von San Francisco selbst wurde schon im Jahr 2002 die Art der erlaubten Getränke eindeutig geregelt: Nur Milch, 100-prozentiger Saft, Saftschorle ohne Zucker, Süßstoffe, Koffein oder andere Zusätze dürfen verkauft werden. Ausdrücklich nicht gewollt sind Sportgetränke, Elektrolytgetränke und Vitaminwasser. Immer mehr kalifornische Städte sagen auch no zu den herkömmlichen Süßigkeitenautomaten in Schulen. Stattdessen gibt es unter anderem Karotten im Snackautomaten. Untersuchungen der University of Illinois in Chicago zeigen, dass die Schüler dort seit der Abschaffung der Junk-Snacks und süßen Brausen deutlich weniger Kalorien, Fett und Zucker zu sich nehmen.
Deutsche Kommunen haben bislang gleichwohl nicht vor, an der »giftigen Umgebung« auf ihrem Hoheitsgebiet etwas zu ändern. In der Hauptstadt Berlin herrsche »kein akuter Handlungsbedarf«, so die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz auf Anfrage. Hamburg setzt nach Auskunft der Senatsverwaltung weiterhin »auf Information und Aufklärung, um Menschen bei einer bewussten und gesunden Ernährung zu unterstützen«. Auch am Frankfurter Flughafen wird es weiter an jedem Gate Cola-Automaten geben: »Wir setzen auf den aufgeklärten, mündigen Bürger, der über sein Ernährungsrisiko informiert ist«, so die Antwort aus dem Dezernat für Umwelt, Gesundheit und Personal in Frankfurt. Die Stadtverwaltung würde für »dirigistischen Aktionismus« nicht von dieser »Linie« abweichen wollen.
Die Entscheidungen des »mündigen Bürgers« könnten allerdings auch beeinflusst werden mit den Mitteln der Finanzpolitik: durch Steuern auf Ungesundes wie Zucker. Im New England Journal of Medicine schlug Yale-Professor Brownell zusammen mit Thomas Frieden, dem Direktor des Centers for Disease Control and Prevention (CDC), der obersten US-Gesundheits-Überwachungshörde, eine Softdrink-Steuer vor. Einen Penny pro Unze, also 11 Cent pro 0,3-Liter-Dose. Wie bei Zigaretten würde das vermutlich den Verbrauch um 13 Prozent senken und in zehn Jahren Gesundheitskosten von 50 Milliarden Dollar einsparen. Der Staat nähme 150 Milliarden Dollar pro Jahr ein. »Eine Steuer auf gezuckerte Getränke würde garantiert die Kalorienaufnahme verändern und hätte damit einen signifikanten Einfluss auf die Übergewichtsraten«, glaubt auch Mike Rayner vom Department for Public Health an der britischen Eliteuniversität Oxford. Zusammen mit seinem Kollegen Oliver Mytton hatte er in einem aufsehenerregenden Artikel in der angesehenen Fachzeitschrift British Medical Journal unter anderem eine Zuckersteuer gefordert. Das Oxford-Team argumentiert, dass staatliche Eingriffe wie etwa die Besteuerung gerechtfertigt sein könnten, wenn der Markt bei der Aufgabe versage, Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern. Es würde außerdem die Allgemeinheit entlasten, dazu beitragen, »das Geld der Steuerzahler zu sparen« durch eine angemessenere Verteilung der »Kosten für die Bekämpfung ernährungsbedingter Krankheiten wie Fettleibigkeit und Herzerkrankungen«. Solche Steuern wurden schon eingeführt in Dänemark, Finnland, Frankreich und Ungarn. Untersuchungen hätten beispielsweise gezeigt, dass pro zehn Prozent Steueraufschlag auf Softdrinks ein um elf Prozent geringerer Verbrauch zu erwarten sei.
Der UNO-Sonderberichterstatter für Ernährung, Olivier de Schutter, will zudem die Subventionen für die Agrarindustrie in ihrer heutigen Gestalt abschaffen, weil diese erst dazu geführt hätten, dass ungesundes Essen und süße Softdrinks vielfach billiger seien als frische Produkte – und die Armen dann aus Geldmangel gezwungen seien, das Ungesunde zu essen: »So werden die Armen dafür bestraft, dass sie arm sind.« Die Werbung soll, so forderte er in seinem Bericht an den UN-Menschenrechtsausschuss außerdem, gesetzlich reguliert werden. Das sei der »effektivste Weg, um an Kinder adressierte Marketingstrategien für ungesundes Essen zu verbieten«. Sogar das Kunstnahrungsfachblatt International Food Ingredients dachte schon laut über Werbebeschränkungen nach. Wenigstens bei Sportveranstaltungen. Wenn zum Beispiel McDonald’s und Coca-Cola als Sponsoren und Exklusivverpfleger und der Schokoladenhersteller Cadbury gar als »offizieller Genusslieferant« bei der Olympiade firmieren, schaffe dies »eine verhängnisvolle Verbindung zwischen Fast Food und Fitness«.
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