Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
besteht dann, wenn Sie alle Lebensmittel im Rahmen des gesetzlich Möglichen damit süßen. Wenn Sie Limonade trinken und Ihren Kaffee oder Tee süßen, da ist das dann irgendwann von der Menge her ein Problem. Aber nicht, wenn Sie mal ein Apfelkompott damit machen oder Marmelade oder den Fruchtquark süßen. So wenig, wie ich das nutze, ist das belanglos.«
»Sie meinen, es muss auch nicht alles so süß sein.«
Kienle: »Das ist natürlich eine Frage des privaten Geschmacks. Ich persönlich esse wenig süß. So ein Gläschen Haushaltssüße mit Steviolglykosiden reicht mir ein Jahr.«
»Die Japaner wollen ja auch nicht alles so süß haben.«
Kienle: »Der traditionelle japanische Nachtisch, der schmeckt überhaupt nicht süß. Ich hab auch mal mit Hilfe einer netten Japanerin in einem Supermarkt nach Produkten gesucht, in denen diese Steviolglykoside drin sind. Und hab da so einen Fruchtquark entdeckt, den probiert, und das war also ein Hauch von süß. Ganz leicht süß. Das kann man mit unseren Verzehrgewohnheiten in Europa nicht vergleichen.«
Bei den Pionieren in Japan hielt sich daher auch der Drang nach der neuen Süße in Grenzen. Nur für ganz kurze Zeit waren Steviolglykoside dort der meistgenutzte Süßstoff. Ohnehin verwenden nur 13 Prozent der Japaner überhaupt Süßstoffe. Sie essen dort auch nur 20 Kilo Zucker pro Kopf und Jahr. Knapp halb so viel wie die Deutschen, 44 Prozent des Schweizer Jahresverbrauchs. In Japan, wie allgemein in Asien, herrscht eine andere Süßkultur.
Auch bei den Indianern im Urwald Paraguays war die Pflanze ja nicht das Grundnahrungsmittel. Sie wurde nicht einmal landwirtschaftlich angebaut, und der Schweizer Moises Bertoni musste nach eigener Auskunft lange nach der Wildpflanze im Urwald suchen, weil sie »sehr selten geworden war«, wie Bertoni berichtete. Zwar hatten Kräutersammler und Indianer davon berichtet: »Aber ich konnte keine Pflanze bekommen.«
Offenbar kannten die Indianer kein dringendes Verlangen nach Süßem. Das süße Kraut wuchs im Urwald, und die Indianer ignorierten es weithin. So war es ja auch beim Zucker: In der Südsee, in Indien und China gab es zwar das Zuckerrohr, aber offenbar kein gesteigertes Verlangen danach. Erst die Europäer schufen die massenhafte Lust auf Süßes.
Und die scheint jetzt langsam wieder abzuklingen. Bei der Umfrage der britischen Leatherhead-Forscher sagten schon 52 Prozent, sie wollten weniger Zucker haben, und 62 Prozent sogar, sie wollten weniger Süßstoffe.
Vielleicht hat das Zeitalter des Süßen seine Blütezeit schon hinter sich. Eine Mehrheit will jetzt weniger Süßes. Was ja ganz vernünftig ist. Offenbar, darauf deuten viele Studien hin, ist es nicht nur der Zucker, der dem Körper schadet, sondern der ganze »Süßmodus«, in dem die Menschen leben. Und davon wollen sie sich in wachsender Zahl verabschieden.
Wer einmal einen Blick auf die Schattenseiten des süßen Lebens geworfen hat, lässt jetzt lieber mal einen Teelöffel Zucker weg. Und fühlt sich wohler, das berichten jene, die den Schritt getan haben. Sogar die Kinder – Überraschung! – leben ohne Süßes auf. Sie können, so wird berichtet, wieder unbeschwert lachen. Die Kilos schwinden sowieso.
Vor allem jene, die durch das süße Leben krank geworden sind, wenden sich natürlich erst recht mit Freuden davon ab. Vor allem, wenn die Prognose zuvor ganz düster war. Und sie merken, wie es ihnen ganz schnell bessergeht.
10. Von Natur aus gut
Weniger ist mehr: die neuen Wege zum süßen Genuss
Auch der Krebs liebt Zucker / Immer mehr Menschen wollen immer weniger Zucker / Pilotprojekt im Schwarzwald: keine Süßigkeiten, keine Karies / Getränkepolitik made in USA: der Krieg gegen die Softdrinks / Echtes Essen essen / Butter bremst Blutzucker, und auch der Wein hält ihn in Schach / Was wäre Weihnachten ohne Plätzchen! / Und dann und wann ein Eis
F ür sie ist es leicht, um den Zucker einen großen Bogen zu machen, sie hat ein starkes Motiv: die Sorge um das eigene Leben. Sie sieht kräftig aus, sportlich, sie trägt Jeans, einen hellblauen Rollkragenpullover, eine schwarze Weste. Die Markierungen an ihrem Oberkörper, in Schulternähe, sieht man erst am Abend im Hallenbad. Heute früh hatte sie wieder Bestrahlung. Jetzt ist Training. Es ist eine moderne Schwimmhalle, mit großer Glasfront. Rockmusik läuft, weiter hinten üben Jugendliche Wasserball, planschen Kinder. Immer wieder mal ertönt ein Pfiff.
Es geht los mit
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